Gibt es auf der Redaktion der NZZ tatsächlich subversive Dienstredaktoren? Anders lässt sich der obige Titel auf der NZZ-Wirtschaftsseite kaum zu erklären, denn der Begriff Ablasshandel  hat, wo immer er verwendet wird, ein übles Geschmäckle. (Der Titel findet sich denn auch bloss in der Printausgabe, für NZZ Online und für das Archiv wählte man dann einen unverfänglicheren Titel)

Also worum geht es? Bekanntlich hat der Nationalrat bei der Behandlung des CO2-Gesetzes darauf verzichtet, für die Senkung der CO2-Emissiionen einen Inlandanteil festzulegen. Hansueli Schöchli zeigt am Beispiel des «freiwilligen» Klimarappens – 1,5 Rappen pro Liter, was eine Tankfüllung um 60 bis 80 Rappen verteuert -, wie das funktioniert: Um bei inländischen Kompensationsprojekten eine Tonne Kohlendioxid einzusparen, musste die Stiftung Klimarappen 160 Franken bezahlen, bei ausländischen Projekten bloss 15 Franken. Das ist allerdings reine Theorie. In Wirklichkeit, das zeigen zahlreiche Studien, fliesst ein beträchtliche Teil dieser Gelder nicht in reale Projekte, sondern in die Taschen von korrupten Beamten und Projektleitern. Oder eine Emissionsreduktion wird gleich zweimal  verrechnet, einmal in der Schweiz und, warum nicht, wenn’s niemand merkt, im Projektland noch einmal. Das Stockholmer Umweltinstitut, das gibt Schöchli selber zu, kam 2015 zum Schluss, dass drei Viertel der grenzüberschreitend angerechneten Projekte kaum zu einer zusätzlichen Reduktion der CO2-Emissionen geführt habe.

Paris ist aber nicht Kyoto, zitiert Schöchli die Schweizer Stiftung Klimaschutz und CO2-Kompensation, die von der Erdöl-Vereinigung gegründet wurde und in deren Stiftungsrat ausschliesslich Manager der Erdölbranche sitzen: Jetzt, so könnte man Mischa Classen zusammenfassen, den Leiter Auslandprojekte der Stiftung, jetzt sei Schluss mit dem Bescheissen. Wie dieses Wunder zustande kommen soll, erklärt er zwar nicht, aber erstaunlich ist es schon, rangieren doch die vier wichtigsten Projektländer Peru, Kolumbien und Thailand auf dem Korruptionsindex  von Transparency International ex aequo dem 96. Rang, Mexiko gar erst auf Rang 135. 

Und wieder einmal verblüfft uns der Luzerner FDP-Nationalrat Peter Schilliger; er glaubt laut Schöchli, dass auch ohne fixes Inlandziel drei Fünftel der CO2-Reduktion im Inland stattfinden würden. Warum er trotzdem gegen das vom Bundesrat vorgeschlagene Inlandziel ist, das genau diese Quote beinhaltet, erklären wir uns nur so: Es darf gern  «au es bizzeli weniger sii». (CR)

https://www.nzz.ch/wirtschaft/klimaschutz-umstrittener-co2-ablasshandel-der-schweiz-ld.1442694

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