Grosskampftag der Freisinnigen in den Medien: Sowohl die NZZ wie der Tages-Anzeiger diskutieren in gross aufgemachten Artikeln die Frage, wie grün die FDP werden (oder sich zumindest geben) soll. Anlass ist ein Treffen von 21 Freisinnigen am 31. Januar im Zürcher Hotel Walhalla. Dass die beiden größten Schweizer Tageszeitungen am gleichen Tag mit diesem nicht akut aktuellen Thema kommen, deutet darauf hin, dass die PR-Maschine der «Umweltfreisinnigen» recht gut geölt ist.
Das Problem ist offensichtlich: Am 20. Oktober sind National- und Ständeratswahlen, und es ist sehr gut möglich oder wahrscheinlich, dass die «Klimafrage» dabei eine wichtige Rolle spielen wird. Die FDP aber sieht in dieser Frage derzeit nicht gerade blendend aus, seit sie im Nationalrat der SVP geholfen hat, das geplante CO2-Gesetz so kräftig zu verwässern, bis die Sozialdemokraten und Grünen gar nicht anders konnten, als den schäbigen Rest auch noch abzulehnen.
In der Öffentlichkeit, aber auch innerhalb der eigenen Partei löste dieses Verhalten Stirnrunzeln aus, schreibt die NZZ, «zumindest bei jenen Freisinnigen, die Natur- und Umweltschutz eine höhere Priorität einräumen wollen.» Es gehe aber nicht um Konfrontation, sondern um einen konstruktiven internen Dialog, zitiert die NZZ den Zürcher Freisinnigen Christian Martin Gutekunst. Man überlege, analog etwa zu den FDP-Frauen oder den St. Galler «Umweltfreisinnigen» eine Gruppierung FDP Nachhaltigkeit zu gründen. In St. Gallen treten diese Umweltfreisinnigen gar mit einer eigenen Liste an.
Die entscheidenden Fragen allerdings stellt die NZZ in ihrem Bericht nicht, nämlich: Ob denn eine solche Gruppierung, nachdem sie im Wahlkampf ihren wesentlichsten Dienst getan hat, innerhalb der Partei auch noch viel zu sagen hat. Und: Ob man als grün-liberale Stimmbürgerin oder Stimmbürger nicht vielleicht doch besser gleich das Original, die Grünliberale Partei wählen soll. Denn: Langfristig müssten zwar Ökonomie und Ökologie «beide nebeneinander Platz haben, was auch möglich ist, meint Nationalrat Kurt Fluri (Solothurn). Aber im konkreten Entscheidungsfall gibt es dann doch kein Jein, sondern immer bloss ein klares Ja oder Nein für die eine oder andere Entscheidung..
Dass der Zürcher Nationalrat Ruedi Noser gar im Initiativkomitee der Gletscherinitiative mitmacht, findet man in der Parteileitung laut NZZ nicht sonderlich abwegig. Es sei «doch positiv, dass man öffentlich wahrnehme, wie sich auch Freisinnige für ökologische Anliegen einsetzen», zitiert die NZZ ein Parteileitungsmitglied. Ein Satz, der ungewollt vielleicht mehr sagt, als dem Zitierten lieb ist.
Grün sein oder grün tun, das ist hier die Frage
Im Tages-Anzeiger dürfen die beiden professionellen Meinungs-Propheten Michael Hermann und Claude Longchamp spekulieren, ob das «Klimathema» im Herbst noch eine Rolle spiele (Hermann: Ja) oder nicht (Longchamp wie immer: Vielleicht). Das Thema werde wegen dem Schülerstreik derzeit «medial überzeichnet», glaubt Longchamp. Ähnlich gegensätzlich ist auch die Meinung der Parteien. Balthasar Glättli, Nationalrat und Co-Wahlkampfleiter der Grünen, und Tiana Moser, die Fraktionschefin der GLP, sind überzeugt, dass die Klimafrage bei den Wahlen eine wichtige Rolle spielen wird. SVP-Präsident Albert Rösti findet dagegen, die Debatte rund ums Klima sei «eine momentane Hysterie». Die SVP bleibe im Wahlkampf bei ihren angestammten Themen.
Auch im Tages-Anzeiger geht es dann aber vorwiegend um die Öko-Freisinnigen. Zwar habe es immer schon einen umweltbewussten Flügel in der Partei gegeben, in den letzten Jahren aber habe der ordoliberale Flügel um den Berner Nationalrat Christian Wasserfallen, für den jegliche Staatsintervention des Teufels sei, Oberwasser bekommen. Nach der massiven öffentlichen Kritik würden sich jetzt aber andere Stimmen zu Wort melden, «solche, die schon immer für eine grünere FDP waren, und solche, die aus wahltaktischen Überlegungen auf einmal ihr ökologisches Herz entdecken (wobei der Übergang zwischen beiden Gruppierungen fliessend ist)». Womit das Hauptproblem dieser vielleicht auf den Wahlkampf hin doch ein wenig ergrünenden FDP zumindest in einem in Klammern gesetzten Nebensatz aufgespiesst wird. Klarheit wird man allerdings erst bekommen, wenn das CO2-Gesetz irgendwann nach den Wahlen zum zweiten Mal im Nationalrat behandelt wird.
FDP-Ständerat Müller träumt von Finanzplatzregulierungen
Anderer Ansicht war Daniel Stern in der WoZ schon am 7. Februar. «Ist das Vorpreschen der beiden FDP-Ständeräte (Ruedi Noser und Damian Müller) also einfach Wahlkampf?», fragt er rhetorisch und zitiert dann Marcel Hänggi, den Initianten der Gletscherinitiative, er stelle bei vielen Bürgerlichen einen Gesinnungswandel fest: «Ich bin überrascht, wenn ich mit bürgerlichen Politikern rede, wie viele auf unsere Ideen positiv reagieren.» Selbst innerhalb der SVP gebe es AbweichlerInnen, die sich jedoch nicht trauen würden, Farbe zu bekennen.
Damian Müller, so sagt Hänggi, sei sogar offen, sich im Ständerat für Regulierungen des Finanzplatzes einzusetzen. Er bezieht sich dabei auf einen Artikel in der FDP-Parteizeitung Schweizer Freisinn, in der Müller schrieb: «Die Schweiz ist weltweit sechstgrösster Verursacher von Treibhausgasen, würden die in der Schweiz verwalteten Finanzflüsse mit CO2-Emissionen verknüpft und uns angelastet.» Er will, so Hänggi, deshalb prüfen lassen, wie Banken und AnlegerInnen zu mehr Transparenz verpflichtet werden können und wie der Staat regulierend eingreifen kann. Dass Müllers Vorstoss in der FDP eine Mehrheit finden wird, ist allerdings so wahrscheinlich wie dass Müller jemals Kaiser von China werden wird. (CR)