Die Freisinnig-Demokratische Partei der Schweiz hat ein Problem: Sie weiss nicht genau, was ihr Problem ist und will deshalb ihre Mitglieder befragen. Ist sie zu wenig grün, wie es allerorten und mittlerweile auch in einigen Kreisen der Partei heisst? Oder ist ihr grüner Kern, ihre Leidenschaft für Umwelt und Klima, einfach zu wenig sichtbar?

«Wir sind keine klimafeindliche Partei», sagt die FDP-Chefin Petra Gössi in einem Interview mit dem Tages-Anzeiger, ja, der Umweltschutz gehöre recht eigentlich «zur DNA des Freisinns». Schliesslich stehe der nachhaltige Umgang mit den Ressourcen seit Jahrzehnten im Parteiprogramm. Auf die Frage, weshalb die FDP-Fraktion denn mitgeholfen habe, das CO2-Gesetz im Nationalrat zu versenken, meint Gössi, dieser Eindruck sei «fundamental falsch»: «Wir haben dem Gesetz zugestimmt, abgelehnt haben es Grüne, GLP, SP und SVP.»

Dass immer die Anderen an der klimapolitischen Misere schuld sind, ist für Gössi klar. Der SP und den Grünen wirft sie sture Kompromissunfähigkeit vor («So funktioniert unsere Konsensdemokratie aber nicht.»), den Grünliberalen, dass sie Klimapolitik mit Verboten und Bevormundung durchsetzen wollten, statt auf Eigenverantwortung und Innovation zu setzen. Und der Gletscherinitiative, dass sie zwar ein Ziel formuliere, aber nicht den Weg, wie man dorthin gelange. (Dass solche Dinge nicht in der Verfassung, sondern in Gesetzen geregelt werden, muss Gössi grad entfallen sein,)

Warum bloss, stellt sich letztlich die Frage, will die FDP plötzlich so ergrünen, wenn sie in der Vergangenheit doch alles richtig gemacht hat. Den Verdacht, dass dieser Kurswechsel, der im Verständnis von Gössi ja eigentlich gar keiner ist, etwas mit den kommenden Wahlen zu tun haben könnte, weist sie aber weit von sich: «Wir richten unsere Politik (…) nicht danach, ob sie kurzfristig neue Wählerschichten erschliesst. Mein Fokus ist langfristig. (…) Jedenfalls zielt der Vorwurf der Wahltaktik ins Leere: Ich werde den Gegenbeweis antreten.»

Ein bemerkenswertes Argument hat Gössi in Bezug auf die Frage, wie sich der innerparteiliche Klimawandel künftig äussern werde. Wenn es denn der Linken ermögliche, dem CO2-Gesetz zuzustimmen, sei man ja bereit, eine Flugticket-Abgabe oder bei der CO2-Reduktion einen Inlandanteil zu akzeptieren. (Beides hatte die FDP-Fraktion mitsamt der Stimme von Gössi im Nationalrat noch abgelehnt.) Dass es vielleicht nicht bloss taktische, sondern auch ökologische Gründe für diese beiden Vorhaben geben könnte, ist für Gössi kein Thema, wie Klimapolitik für sie ohnehin weniger mit dem Klima als vielmehr mit Parteitaktik zu tun zu haben scheint.

Die FDP-Bundeshausfraktion – kein konstruktiver Partner

Auch die NZZ beschäftigt sich mit der Begrünung der FDP. Und auch sie konstatiert, dass die FDP-Chefin Petra Gössi vor allem die beiden «Polparteien» für die Bruchlandung des CO2-Gesetzes im Nationalrat verantwortlich macht: Die SVP habe das Gesetz von Anfang an bekämpft, der SP habe das Erreichte nicht genügt.

Klimapolitisch mache die FDP aber seit Jahren keine gute Figur, – «und die Parteipräsidentin weiss das auch», meint die NZZ. Der Parteileitung und den Strategen im Parteisekretariat sei längst bewusst, dass sie das Thema im Wahljahr 2019 nicht einfach ignorieren könnten Deshalb kündige Gössi in der jüngsten Ausgabe des Parteiorgans «Schweizer Freisinn» «Lösungen für eine liberale, zukunftsfähige Klima- und Umweltpolitik» an.

Bis im Sommer will die Partei ihre Position festlegen und dann ein breit abgestütztes Papier verabschieden. Die NZZ glaubt, dass viele Orts- und Kantonalsektionen deutlich grüner seien als die Bundeshausfraktion, «die in der Klimapolitik seit Jahren gespalten ist und in diesem Dossier nicht eben als konstruktiver Partner wahrgenommen wird.» Als Beleg für die Desorientierung und den Wackelkurs der Fraktion führt die NZZ unter anderem ihr Verhalten bei der Debatte über die SP-Motion zum Atomausstieg und bei der Verabschiedung der Energiestrategie 2050 an. Allerdings: Wage die FDP einen klimapolitischen Kurswechsel, werde sie sich bis zu den Wahlen den Vorwurf des Opportunismus anhören müssen. (CR)

Gedimmte «grüne Erleuchtungen»

Über die internen Querelen der FDP berichten am 18. Februar sowohl der Tages-Anzeiger (mit einem Bericht und einem Kommentar) sowie auch die NZZ. Den Tages-Anzeiger beschäftigt das Thema auch weiter. Am 21. Februar wiederholt er noch einmal alles, was er zuvor schon einmal geschrieben hat, zusätzlich gehen die beiden Autoren noch einmal auf die Suche nach dem, was laut Petra Gössi auch zur «DNA des Freisinns» gehört, den Wurzeln dessen, was man als ökologisches Bewusstsein der FDP nennen könnte. Fazit: Alle Versuche, die FDP zu begrünen, sind gescheitert, etwa diejenigen von Leni Robert in den 1970er Jahren, von Elisabeth Kopp und René Rhinow in den 1980er Jahren bis zur «grünen Erleuchtung» von Philipp Müller vor fünf Jahren.