Deutschland, das sich immer noch als Klimavorreiter sah, obwohl es längst nur noch im Mittelfeld mitspazierte, will jetzt ernst machen mit dem Klimaschutz. Zumindest will das die Umweltministerin Svenja Schulze (SPD): Sie legt einen höchst ambitiösen Entwurf zu einem Klimaschutzgesetz vor, fast so, als hätte sie sich bei der Gletscherinitiative umgesehen.

Ziel sei es, so die Süddeutsche Zeitung, dass «die klimaschädlichen Emissionen bis 2050 um mindestens 95 Prozent unter den Wert von 1990 fallen. Und: «Klimaschutzziele können erhöht, aber nicht abgesenkt werden.» Bis 2050 sollen genau so viele Treibhausgase der Atmosphäre entzogen werden, wie das Land emittiert. Dann wäre Deutschland treibhausgasneutral.

Dabei schlägt der Entwurf einen ganz neuen Weg vor: Der Kampf gegen die Klimaerwärmung soll einem festen und präzisen Regelwerk folgen, das für jeden einzelne Bereich der Wirtschaft wie Verkehr, Industrie oder Landwirtschaft feste Klimaziele und feste Pfade vorschreibt. Zudem sollen die Verantwortlichkeiten klar geregelt werden: Verantwortlich sind die jeweils zuständigen Ministerien, sie sollen die dafür erforderlichen nationalen Massnahmen ausarbeiten und durchsetzen. Halten sie die Vorgaben für die einzelnen Jahre nicht ein, drohen ihnen finanzielle Konsequenzen: Sie müssen, «anteilig nach dem Grad der Nichteinhaltung ihrer Vorgaben», die Kosten tragen. Und schliesslich soll es einen Automatismus geben, wenn in einem Bereich die Emissionen nicht genügend sinken: Binnen sechs Monaten soll dann die Bundesregierung ein Sofortprogramm beschliessen, das wiederum innerhalb von sechs Monaten umgesetzt werden muss.

Über die Fortschritte im Klimaschutz soll ein unabhängiges Sachverständigengremium wachen. Sollten sich die Ziele nachträglich als zu schwach erweisen, kann der Bund sie durch eine Verordnung ändern. Und auch das: Bis 2030 soll die Bundesverwaltung «klimaneutral» werden. Für Kapitalanlagen, etwa Pensionsfonds, müsste der Bund künftig darlegen, ob sie klimafreundlich investiert sind – und welchen Klimarisiken sie ausgesetzt sind.

Heftiger Widerstand der CDU/CSU

Dass der Entwurf, noch bevor er offiziell veröffentlicht wurde, schon heftigen Streit in der Koalition auslöste, ist nicht verwunderlich. Die CDU/CSU-Vertreter im Koalitionsausschuss verlangten, was man immer verlangt, wenn man aus Angst vor negativen öffentlichen Reaktionen nicht so recht zu seinem Nein stehen will: sie fordern eine Verschiebung der weiteren Beratungen. Umstritten sind natürlich die strikten Vorgaben für die einzelnen Bereiche, die Kontrollen über deren Einhaltung und die harten Strafen für die fehlbaren Ministerien. So rufen die CDU/CSU-Politiker «Planwirtschaft» und meinen eigentlich, dass ein solches Klimaschutzgesetz ihre Freiheit einschränke, die beschlossenen Ziele einfach zu ignorieren. Die Grünen wollen das Gesetz dagegen unterstützen. Die Linke wird vermutlich erst parteiintern darüber streiten müssen, ob es sich bei der Klimafrage um einen Haupt- oder Nebenwiderspruch des Kapitalismus handelt.

In einem Kommentar lobt die Süddeutsche Zeitung, dass die Umweltministerin nach Jahren, «in denen Bundesregierungen mit hohen Zielen nur so um sich warfen» endlich ernst machen will. «Denn ferne, unverbindliche Ziele verleiten stets zum Nichtstun, für Klimaschutz bleibt im Zweifel immer nur die letzte Minute.» Notwendig sei Verlässlichkeit, das verbindliche Wissen, wie es Jahr für Jahr weitergeht. «Es ist genau diese Verlässlichkeit, die den Kampf gegen die Erderwärmung zum Modernisierungsprogramm für die Wirtschaft macht.(…) Der Klimaschutz der letzten Minute dagegen wird umso teurer.»

Einen saftigen Kommentar findet sic h auch in der deutschen Tageszeitung taz; «Es wird krachen, so viel steht schon fest», heisst es da, und: «Der Entwurf zum ‹Klimaschutzgesetz› aus dem Umweltministerium wird für maximalen Streit in der Regierung sorgen. Die Frage, wie strikt die Klimaziele sind und wer dafür liefern muss, hat sogar das Zeug dazu, die große Koalition zu sprengen.» CR)

Kleiner Nachtrag am 4. Februar

Einen giftigen Kommentar zum «scheinheiligen Lob», das die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel in einer Videobotschaft den klimastreikenden Schülerinnen und Schüler spendete, gibt es in der Süddeutschen Zeitung. «Die jungen Demonstranten», so zitiert die Süddeutsche die Kanzlerin, «mahnten, schnell etwas für den Klimaschutz zu tun.» Die Zeitung meinte dazu: «Nach fast 14 Jahren an der Spitze des Landes ist das reichlich scheinheilig.»