«Die Redaktion empfiehlt», heisst es beim Online-Portal des Tages-Anzeigers. Und man wundert sich, denn was einem da als Leselektüre empfohlen wird, ist ein Interview mit Roger Köppel, der als Weltwoche-Chefdemagoge und SVP-Nationalrat zu den übelsten Hetzern der Klimaleugner-Fraktion gehört.

Dass er über die «Kinder», wie er die jungen Klimaaktivisten abschätzig nennt, herzieht wie ein verbitterter Greis, der die Welt nicht mehr versteht, kann man als Peinlichkeit abtun. Schon etwas weniger lustig ist, wenn sich Köppel als Klimaexperte aufspielt, der einfach die «unbestrittenen Fakten» betrachte, und schon beim ersten Versuch dazu nur beweist, dass er weder die physikalischen Grundlagen versteht, wie das Klimasystem funktioniert, noch eine Statistik richtig interpretieren kann. Lieber als auf wissenschaftliche Befunde beruft er sich auf John Steinbecks Roman «Früchte des Zorns» aus dem Jahr 1939 als unbestrittener Fakt seiner Art von Klimaforschung.

Noch lustiger ist dann, wie er die verschiedenen Klimaszenarien der IPCC-Berichte interpretiert: «Der Weltklimarat hat Modelle für jede Klimaprognose, so, wie wenn Sie beim Lotto alle Zahlen ankreuzen. Sechser garantiert.» Dass es in Wirklichkeit darum geht, aufzuzeigen, wie das Klimasystem auf unterschiedliche klimapolitische Entscheidungen oder wirtschaftliche Entwicklungen reagiert, und es genau deshalb unterschiedliche Pfade gibt, müsste jeder vorgängig verstanden haben, der mit «unbestrittenen Fakten» gegen die Klimawissenschaft antreten will. Aber Köppels einziger Gewährsmann neben dem Romanschriftsteller ist der bald 80jährige ehemalige Meteorologe Richard Lindzen, den kaum einer der noch in der Forschung tätigen Klimawissenschafter ernst nehmen kann. 

Auch sonst geht es im Interview zunehmend faktenfreier, demagogischer und skurriler zu und her: Die Klimawissenschafter (ausser den Klimaleugnern, versteht sich), sind alle gekauft. Die Politik ist «im Begriff , diese Klima-Hysterie als absolute Wahrheit zu begreifen» – weshalb der Bundesrat vermutlich ein völlig ungenügendes CO2-Gesetz vorgelegt und der Nationalrat sogar dieses noch versenkt hat. Gefährlich ist laut Köppel auch, dass «der Staat massiv in unsere Wirtschaft und die Energieversorgung eingreift». Hat Köppel schon vergessen, dass ohne das massive Eingreifen der Staaten 2008 das ganze internationale Bankensystem zusammengebrochen wäre und dass es ohne staatliches «Eingreifen» gar keine funktionierende Energieversorgung geben würde? 

Aber überhaupt, so Köppel, sei der Klimawandel «an gewissen Orten eine Katastrophe, an anderen ein Segen.» Da schlägt Unwissen in blanken Zynismus um. Und schliesslich darf im Interview auch das ewige SVP-Mantra nicht fehlen: «Mit unserer kopflosen Energiewende werden wir an die Wand fahren und die Schweiz vom Ausland abhängig machen.» Da hoffen wir doch sehr, dass die reichen Erdölvorkommen in der Schweiz uns noch für möglichst viele Jahre vom Ausland unabhängig machen.

Und diesen Unsinn will uns der Tages-Anzeiger tatsächlich zur Lektüre empfehlen? (CR)