Vor kurzem sassen sie noch im Bremserhäuschen, jetzt lesen die Stadtzürcher Freisinnigen den rot-grünen Parteien die Leviten und zeigen ihrerseits, wie freisinnige Klimapolitik geht.

Schluss jetzt mit der ewigen Diskutiererei! Ab jetzt soll gehandelt werden, kostenlos, unbürokratisch und freiwillig, kurz: freisinnig. Im Communiqué zur Medienkonferenz vom vergangenen Mittwoch gibt sich die Stadtzürcher FDP so radikal und kämpferisch, dass man fast meinen könnte, die Pressemitteilung stamme aus der Feder von Roger Köppel oder Christoph Mörgeli: «Die Klimadebatte in der Stadt Zürich hat sich selbst blockiert, bevor sie überhaupt begonnen hat», heisst es da mit einem rhetorischen Faustschlag auf die imaginären Stammtische der Stadt, «in den letzten Jahren hörte man von den rot-grünen Parteien in der Stadt Zürich wenig zur Klimapolitik, ausser ziellose Anklagen an die gesamte Menschheit und Forderungen nach Massnahmen, ohne diese zu benennen.»

Was die FDP selber an konkreten Massnahmen vorschlägt, klingt allerdings so bescheiden, dass dem Tages-Anzeiger dazu nur ein ziemlich hämischer Titel einfällt: «Wie die FDP das Klima retten will». Und selbst die NZZ glaubt offensichtlich nicht so richtig daran, dass es den Freisinnigen wirklich ernst ist mit ihrer grünen Wende; sie schreibt: «Die Stadtzürcher FDP gibt sich ein wenig grüner.»

Gegen die rot-grüne «Pseudo-Klimakoalition

Bevor die FDP ihre klimapolitischen Ideen vorstellt, nimmt sie allerdings noch einmal kräftig Anlauf: «Die Klimastreikenden auf der Strasse (…) wollen keine parlamentarischen Schwatzbuden, die sich nur über Ziele unterhalten, unnötig Papier produzieren, aber keine Wirkung erzielen. Die Parteien von AL bis EVP geben nur vor, aktiv zu sein und blockieren die Klimapolitik der Stadt Zürich und der Schweiz für die nächsten Jahre. Das Klima erwärmt sich währenddem eifrig weiter, denn es interessiert sich nicht für die Ziele, die in der Gemeindeordnung der Stadt Zürich verankert sind oder in Paris beschlossen wurden.

(Kleine Zwischenbemerkung: Auch wenn sich das eifrige Klima nicht für Ziele interessiert – übrigens auch nicht für Massnahmen, da das Klima gar keine eigenen Interessen hat -, so können wir uns doch nur schwer eine Politik vorstellen ohne Ziele, an denen sich die Massnahmen orientieren und messen lassen.)

Und weiter: «Wir Freisinnigen denken weiter und handeln. Wir gehören weder zu den Klimaskeptikern zu unserer Rechten, oder zu den Klimapopulisten zur Linken.  Wir lassen es nicht bei der Definition von Zielen bewenden, sondern wir setzen auf Massnahmen zur Emissionsreduktion, welche sich an ihren Kosten und ihrem Nutzen messen lassen. Wir kommen den Forderungen der Strasse nach und zeigen, dass Politik, Wirtschaft und Gesellschaft mehr können, als nur grosse Ziele zu verkünden.»

Mit Steildächern gegen den Klimawandel

Ein erstes Massnahmenpaket, das eine Arbeitsgruppe ausgetüftelt hat, wird vermutlich eher die Hausbesitzer als die Klimastreikenden begeistern. Es geht dabei etwa darum, dass vermehrt wieder Häuser mit Steildächern gebaut werden, da Solaranlagen auf diesen besser genutzt werden können. Auch sollen bürokratische Hürden beim Bau von Solaranlagen und bei der energiefreundlichen Sanierung von Häusern gesenkt werden. Das gelte insbesondere für Gebäude, die im Inventar schützenswerter Bauten aufgelistet sind oder unter Denkmalschutz stehen. (Ein weiteres Massnahmenpaket zur Mobilität, also dem Verkehr, soll in einigen Wochen vorgestellt werden.)

Im weiteren fordert die FDP vom Stadtrat, weitere (natürlich nicht unnötige) Papiere, die konkret auflisten, welche Auswirkungen die Klimaziele der 2000 Watt-Gesellschaft, der Gletscherinitiative (Netto Null bis 2050) und der Klimastreikbewegung (Netto Null bis 2030) haben.

«Die FDP handelt, während die andern ankündigen»

Was die Klimapolitik der Stadtzürcher FDP generell von derjenigen der «Pseudo-Klimakoalition» von SP, Grünen, AL, GLP und EVP unterscheide, sei die «Güterabwägung: Auf der einen Seite ist die Reduktion des CO2-Ausstosses zu berücksichtigen. Und auf der anderen Seite die direkten Kosten für den Staat und für die Volkswirtschaft sowie die Einschränkungen der Freiheit des Einzelnen. (…) Die vorgeschlagenen Massnahmen, die einen erheblichen Beitrag an die CO2-Reduktion leisten, aus denen aber keine Kosten für den Staat entstehen, könnten schon jetzt problemlos umgesetzt werden.» Sie hätten «für unsere Volkswirtschaft keinen Nachteil. Im Gegenteil: sie haben sogar einen positiven Effekt auf die Volkswirtschaft und schränken die Freiheit des Einzelnen nicht ein.»

Noch kann das Konzept einer Klimaschutzpolitik ohne Ziele, aber dafür mit kostenlosen, unbürokratischen und freiwilligen Massnahmen, nicht hundertprozentig überzeugen. Und erst recht genügen die Steildächer und grösseren Handlungsspielräume für Hausbesitzer bei weitem nicht den Anforderungen, welche sich aus dem Pariser Klimaabkommen für Städte wie Zürich ableiten lassen. Fast muss man schon Erbarmen haben mit einer Partei, die so vollkommen den Bezug zur Wirklichkeit verloren hat, dass sie tatsächlich am Ende ihrer Pressemitteilung schreibt: «Die FDP handelt, während die andern ankündigen. Wir sind die einzige politische Kraft, welche die Forderungen der Klimastreikenden nicht nur gehört, sondern auch verstanden hat.» (CR)