Heute ist der  sogenannte Swiss Overshoot Day. Er markiert das Datum, an dem die Schweiz alle natürlichen nachwachsenden Ressourcen und alle ökologischen «Dienstleistungen» verbraucht hat, die ihr für das Jahr 2019 eigentlich zustehen. Das heisst: Ab heute und bis zum Ende des Jahres leben wir auf Pump oder genauer: auf Kosten zukünftiger Generationen.

Obwohl der Swiss Overshoot Day in den Medien kaum für Aufsehen sorgt, ist er von eminenter Bedeutung. Er macht uns nämlich wieder einmal auf einige Probleme aufmerksam, die unsere Zukunft existenziell mitbestimmen.

Wir alle leben in extremer Weise über unsere Verhältnisse. Wir alle, das heisst: die gesamte Menschheit, egal wie ungerecht Wohlstand und Reichtum verteilt sind. Um so weiterzuleben, wie es die Menschheit derzeit tut, bräuchten wir 1,7 Erden, die wir nicht haben. Die natürlichen Ressourcen der Erde geben das auf die Dauer einfach nicht her.

Erst recht gilt das für die Schweiz. Für unseren materiellen Lebensstandard bräuchten wir, um im Bild zu bleiben, drei Erden. Diese Realität wird sich, ob es uns passt oder nicht, durchsetzen gegen alle ökonomischen Theorien, die uns weismachen, ohne permanentes Wirtschaftswachstum gehe die Welt zugrunde. Das Gegenteil ist richtig: Die Welt geht zugrunde, wenn die Wirtschaft immer weiter wächst.

Illusorisch sind aber auch all jene Hoffnungen, dank künftigen Erfindungen und Innovationen liesse sich das Problem schon irgendwie lösen. Zumindest bis zur Stunde sind weit und breit keine Innovationen auch nur in Sichtweite, die unseren Ressourcenverbrauch um zwei Drittel vermindern könnten.

Greta Thunberg hat recht: Wir müssten in Panik geraten. Die Welt rast auf eine Katastrophe zu und wir diskutieren, wieviel eine Flugticketabgabe kosten darf. Und ob der Liter Sprit fünf oder zwanzig oder Rappen aufschlagen darf.

Und schliesslich – mit Blick auf die aktuellen klimapolitischen Diskussionen: Wer mit dem heimlichen Hintergedanken, der luxuriöse Wohlstand in der Schweiz lasse sich so retten, vorrechnet, jeder im Ausland ausgegebene Klimafranken bewirke ein Mehrfaches als im Inland, der drückt sie vor der Wahrheit: Wir müssen bei uns in der Schweiz anfangen, weil die Welt sich unseren irrwitzigen Schweizer Wohlstand einfach nicht mehr leisten kann.

«Ihr bescheisst uns um unsere Zukunft!»

Kurz: Der Overshoot Day beweist das völlige Versagen einer ganzen Generation von Politikern. Greta Thunberg und die Klimastreikbewegung haben recht, wenn sie den regierenden Politikern vorwerfen: «Ihr bescheisst uns um unsere Zukunft!» Denn seit 40 Jahren, seit der ersten Weltklimakonferenz in Genf, wissen wir, dass der menschengemachte Treibhauseffekt unser Leben auf der Erde bedroht. Und spätestens seit dem UN-Erdgipfel in Rio de Janeiro 1992, seit 27 Jahren, haben die Politiker keine Ausrede mehr. Damals unterzeichneten die Staats- und Regierungschefs fast aller Länder ein Abkommen, dass sie verpflichtet, für eine nachhaltige Entwicklung der Welt zu sorgen. Zu den dort unterzeichneten Abkommen gehört auch die Weltklimakonvention,  mit der sich die Politiker verpflichteten, eine „gefährliche Störung des Klimasystems“ zu verhindern.

Getan haben sie nichts. Oder wenigstens nicht das, was man von ihnen erwartet: Verantwortung übernehmen. Im Gegenteil: Die globalen Treibhausgas-Emissionen sind von 22 Milliarden Tonnen im Jahr 1992 auf heute über 37 Milliarden jährlich angestiegen. Und obwohl die Klimawissenschaftler, die einzigen, die kompetent etwas über das Klima wissen, uns seit Jahren sagen, dass bei maximal 2 Grad Schluss sein muss, droht sich das Klima bis 2100 um drei bis fünf Grad aufzuheizen. Was ist das anderes als das totale Versagen einer ganzen Politikergeneration?

Der Vorwurf wiegt umso schwerer, als dass wir längst auch wissen, was zu tun wäre. Es gibt klima- und arbeitsplatzgerechte Umstiegskonzepte für alle Sektoren, von der Energie über den Verkehr bis zu den Gebäuden und der Landwirtschaft. Keine Politikerin, kein Politiker kann noch behaupten, sie oder er habe es eben nicht gewusst. Und wer so tut, als müsste man jetzt erst einmal herausfinden und diskutieren, was denn eigentlich zu tun sei, der ist ein Heuchler oder eine Windfahne. Der muss sich fragen lassen, in welcher Welt er denn die letzten Jahrzehnte gelebt hat. Mit Verantwortung hat ein solches Verhalten jedenfalls nichts zu tun. (CR)