Eine neue Studie der Schweizerischen Energie-Stiftung SES weist nach, dass die Schweiz ihr Potential an neuen Erneuerbaren Energien bei weitem nicht ausschöpft. Das zeigt vor allem eines: Dass es in der Schweiz nicht vorwärts geht, liegt nicht an den technischen Möglichkeiten, sondern am politischen Willen.
Die SDA-Meldung war gut versteckt – im Tages-Anzeiger waren es 18 mickrige Zeilen in einer Randspalte auf Seite 4 zwischen zwei Bagatellmeldungen -, obwohl es um einen eigentlichen Skandal geht, der die klimapolitische Schweiz noch heftig beschäftigen wird: Die Schweiz gehört in Bezug auf die Produktion von Sonnen- und Windstrom zu den Schlusslichtern in Europa.
Gerade mal so viel Wind- und Sonnenstrom wird in der Schweiz pro Kopf und Jahr produziert, dass dieser einzelne Kopf damit gerade mal einen Geschirrspüler betreiben kann. Damit landet die Schweiz im Vergleich mit den 28 EU-Ländern auf dem schäbigen Platz 25. Nur Ungarn, Slowenien, die Slowakei und Lettland schneiden schlechter ab als die Schweiz. Und noch schlimmer: Im Vergleich mit den umliegenden Ländern landet die Schweiz gar auf dem letzten Platz.
Das belegt eine Studie, welche die Schweizerischen Energie-Stiftung vor einigen Tagen veröffentlicht hat. Das Fazit: «Während der Ausbau der Photovoltaik zaghaft voranschreitet, stagniert die Windstromproduktion auf tiefem Niveau. Der Gesamtanteil der neuen erneuerbaren Energien am Stromverbrauch bleibt marginal.
Nur gerade 250 kWh Strom pro Einwohner – oder 3,7 Prozent des gesamten Strombedarfs der Schweiz – werden hierzulande durch die neuen regenerativen Energieträger erzeugt. Dänemark, der Spitzenreiter der Liste, produziert dagegen über 2‘500 kWh Photovoltaik- und Windstrom pro Kopf – zehn Mal mehr. Sie decken rund die Hälfte des dänischen Strombedarfs. Auf dem zweiten Platz, so die Studie, folgt Deutschland, das in den letzten Jahren grosse Fortschritte gemacht hat. Mit 1’905 kWh/Kopf produziert es immerhin acht Mal so viel wie die Schweiz.
Diese Zahlen sind aufschlussreich. Und vor allem wichtig im Hinblick auf die Auseinandersetzung mit jenen Gegnern einer wirksamen Klimaschutzpolitik, welche wider besseres Wissen oder aus Uninformiertheit behaupten, eine schnelle Reduktion der Treibhausgase Richtung Netto Null sei pure Illusion und technisch gar nicht machbar. Oder nur mit neuen Atomkraftwerken, wie das Eduard Kiener, der 81jährige, längst von der Realität abgekoppelte ehemalige Direktor des Bundesamts für Energie, kürzlich in einer «nüchternen», aber dennoch falschen Analyse im «Magazin» meint.
Die SES zitiert in ihrer Pressemitteilung zur Studie den Befund des im 21. Jahrhundert angekommenen Bundesamtes für Energie, in der Schweiz könnten allein auf Hausdächern und -fassaden jährlich 67 TWh Strom erzeugt werden, was den Landesstromverbrauch von rund 60 TWh deutlich übersteige. Zudem haben Photovoltaik- wie auch Windenergieanlagen in den letzten Jahren einen rasanten Preiszerfall erlebt. Aufschlussreich auch dies: Wie die SES-Studie aufzeigt, decken in Österreich, einem mit der Schweiz durchaus vergleichbaren Land, Windräder 10.3% der gesamten Stromnachfrage ab, was mehr als dem 20-fachen der Schweiz entspricht.
Was zu tun ist
Die SES-Studie bleibt aber im Gegensatz zur der kleinen SDA-Meldung nicht bei der Feststellung stehen, dass die Schweiz ihren Nachbarländern weit hinterherhinkt. Sie zeigt auch auf, woran es fehlt und wie es weitergehen könnte. So sei zwar mit der Energiestrategie 2050 der Netzzuschlag im letzten Jahr auf 2.3 Rp./kWh erhöht worden, aber die Förderung sei zeitlich befristet, die Netzzuschlagmittel würden ineffizient verteilt und viele Projekte blieben durch die rigorose Wartelistenpolitik blockiert: «Entsprechend lange muss auf eine Einmalvergütung gewartet werden. Auf eine Einspeisevergütung haben neue Projekte gar keine Chance mehr. Am heutigen Strommarkt können sich neue Kraftwerke nicht refinanzieren, sie sind daher auf eine Mindestvergütung und Investitionssicherheit angewiesen. Ein zielführendes Strommarktdesign muss entsprechend eingerichtet werden.»
Demgegenüber setzten, so die Projektleiterin Sonja Iten, die meisten EU-Staaten zielführende Förderinstrumente für die erneuerbaren Energien ein. Durch gesetzlich garantierte Minimalvergütungen schützen sie neue Kraftwerke vor Preisschwankungen. (…) Die Schweiz täte gut daran, diesen Bemühungen zu folgen. Der Stromsektor gewinnt auch in der Schweiz an Bedeutung.» Und: «Ein Ausbau der Erneuerbaren, um den wegfallenden Atomstrom sowie die zu substituierenden fossilen Energieträger zu ersetzen, ist dringend nötig. Nur so können die Energiewende umgesetzt und die Klimaziele erreicht werden». (CR)
In der NZZ setzt sich Helmut Stalder am 23. Juni mit er SES-Studie auseinander. Eine entsprechende Meldung findet man im KlimaNews-Blog hier.