Nachdem Roger Köppel, SVP-Nationalrat und Verleger/Chefredaktor der Weltwoche, in seinem Kampfblatt mehrmals den Zürcher Klimaforscher Reto Knutti angerempelt hat, gab er ihm in der aktuellen Ausgabe vom 6. Juni Platz für eine «Gegenrede». Nicht ohne zuvor im Editorial den bösen Klimaforschern so richtig den Marsch geblasen zu haben.

Dass Köppel ein etwas spezielles Verhältnis zur Realität hat, wissen wir. Auch dass er gern lautstark über Dinge redet und schreibt, von denen er nach eigenem Bekunden keine Ahnung hat, etwa über naturwissenschaftliche Methoden im Allgemeinen und über das Klima im Speziellen, haben wir in einer Reihe von Beiträgen im Detail dokumentiert. Was ihn freilich nicht davon abhält, den gleichen Chabis trotzdem immer weiter zu behaupten. Und dass er dort, wo es es keine Fakten gibt, einfach solche erfindet, um seine abstrusen verschwörungstheoretischen Thesen etwa über die rundum korrupten, geldgierigen Klimawissenschafter zu belegen, hat unter anderem seinen neuesten Niederschlag in der SVP-Kampagne gegen die «roten Umverteilungsteufel» gefunden.

Natürlich könnte man Köppels Stammtisch-Gepolter einfach ignorieren, weil dies weder journalistisch reizvoll ist noch es weiterhilft, wenn man zum x-ten Mal erklärt, dass es – ja, richtig! – immer schon Klimawandel gegeben habe, dass für jede Eis- und Warmzeit aber ganz bestimmte unterschiedliche Faktoren verantwortlich sind, und dass die Analyse dieser Faktoren den eindeutigen Schluss zulässt, dass dieses Mal der menschliche Einfluss für die rapide Erwärmung verantwortlich ist. Oder dass der Wasserdampf – ja, richtig! – ein sehr viel wirksameres Treibhausgas ist als CO2, dass aber die Menge des Wasserdampfs in der Atmosphäre abhängig ist von der Konzentration von CO2 und von den Menschen nicht direkt beeinflusst werden kann.

Köppels Meinung ist inhaltlich einfach nicht relevant

Auch könnte man Köppel und die anderen selbsternannten SVP- und FDP-Klimaexperten ignorieren mit dem durchaus zutreffenden Argument, dass ihre Meinung bei aller Meinungsfreiheit inhaltlich einfach nicht relevant ist. Weil es in den Naturwissenschaften nicht um Meinungen geht, sondern um Naturgesetze, um nachvollziehbare objektive Messungen, um theoretisch und empirisch belegte Zusammenhänge, um Evidenzen und Wahrscheinlichkeiten. Wer seine Skepsis äussert, ob die Welt wirklich eine Kugel ist, oder wer sich fragt, ob die Schwerkraft vielleicht doch bloss eine Erfindung der Porzellanindustrie ist, oder eben, ob CO2 wirklich ein entscheidendes Treibhausgas ist, dessen Meinung ist nicht relevant, auch wenn ihm noch so viele Anhänger zujubeln.

Aber weil an den Stammtischen in Sachen Klima immer noch Blinde-Kuh gespielt wird, bloss weil Köppel gut reden und schreiben kann, werden wird uns weiterhin mit ihm, seiner Weltwoche und seinen Vor- und Nachbetern beschäftigen müssen. Reto Knutti tut dies in seiner «Gegenrede». Er erklärt, warum er als Wissenschafter überzeugt ist, dass «nur eine vollständige Abkehr von Öl, Gas und Kohle in den nächsten paar Jahrzehnten die Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad begrenzen» kann. Er zeigt an einigen Beispielen, wie Roger Köppel mit Fakten umgeht, und belegt, dass seine Argumente eine «bunte Mischung von selektiver Datenauswahl, Überinterpretationen, logischen Fehlschlüssen, und simplen Fehlern» ist.

Die Schweiz hat eine grosse Verantwortung

Vor allem aber besteht Knutti darauf, dass die Schweiz eine besondere Verantwortung hat, auch wenn sie – ja, richtig! – nur ein Promille der weltweiten CO2-Emissionen verursacht. Denn in den UN-Verträgen gilt das Gerechtigkeitsprinzip der «gemeinsamen aber differenzierten Verantwortung». Und er schreibt: «Als Wissenschaftler können wir Grundlagen erarbeiten, Lösungen entwickeln und Vorteile und Risiken von Szenarien aufzeigen. Wir haben auch die Pflicht, darauf hinzuweisen, wenn Fakten verzerrt dargestellt werden. Es ist aber nicht Aufgabe der Wissenschaft zu entscheiden, mit welchen politischen Instrumenten wir auf netto Null CO2 Emissionen kommen, das ist ein demokratischer Aushandlungsprozess.»

Das heisst für Reto Knutti aber nicht, dass Wissenschafter keine Stellung nehmen dürfen, wie Köppel und andere Politiker fordern, um sie gleichsam mundtot zu machen. Knutti Stellungnahme ist klar: «Der beste Zeitpunkt zum Handeln wäre vor über dreissig Jahren gewesen, als unsere Generation das Problem erkannt hatte. Der zweitbeste Zeitpunkt ist jetzt. Die jungen Menschen haben es erkannt.» (CR)

Reto Knutti «Gegenrede» in der Weltwoche kann man übrigens auch auf dem Online-Portal Infosperber lesen.