Es soll, versprochen, eine Ausnahme bleiben, dass sich KlimaNews für einmal nicht oder nur am Rande mit dem Klima oder der Klimapolitik beschäftigt, sondern mit den Leiden eines Einzelnen, eines Verzweifelten.

Wer ist schon so dumm und kommt in einem afrikanischen Dürregebiet zur Welt? Wo bleiben da Eigenverantwortung und Erfindergeist?

Der Verzweifelte heisst Dominik Feusi, ist Wirtschaftsredaktor bei Tamedia und leidet darunter, dass die FDP «auf grün macht». «Was soll ein Liberaler wählen?«, fragt Dominik Feusi im Tages-Anzeiger und überlegt sich schon jetzt, welche Partei er denn am 29. September noch wählen kann. Oder ob er dann vielleicht besser zu Hause bleiben soll. Sozusagen als privater Klimastreik. Die dritte Möglichkeit, mit der Entscheidung noch etwas zuzuwarten und zu schauen, ob die FDP eben lediglich «auf grün macht» oder tatsächlich grün geworden ist, scheint ebenso wenig eine Option zu sein wie die vierte Möglichkeit, ein Taschenbuch wie «Der Klimawandel» von Stefan Rahmstorf und Hans Joachim Schellnhuber zu lesen, um zu verstehen, warum auch Liberale «auf grün machen»..

Wird die Schweiz im Herbst eine Öko-Diktatur?

Was Dominik Feusi so unglücklich macht, ist das Klimapositionspapier, mit dem die FDP im Herbst die Wahlen gewinnen will, und das ihm offenbar so schwer auf dem Magen liegt, als wäre es das Kommunistische Manifest. «Ein Liberaler», schreibt er, «möchte eine Gesellschaft mit möglichst wenig Zwang, damit Menschen frei sind und ihre persönlichen Fähigkeiten, ihre Wünsche und Träume verwirklichen können. Ein Liberaler ist überzeugt, dass es die meisten Menschen nicht nötig haben, von anderen regiert zu werden. Es ist das Programm des «Ausgangs aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit», das Programm der Aufklärung.»

Zwar entzieht sich unserer Kenntnis, ob  Kant ein FDP-Mitglied war. Und wir wissen auch nicht, ob Herr Feusi das mit Kant und der Aufklärung alles so ganz richtig verstanden hat. Aber wir fragen uns, ob die tiefe Verzweiflung (oder das heisse Wetter) Feusis Sicht auf die schweizerische Realität nicht doch etwas beeinträchtigt haben könnte. Denn: Liest man Feusis Bewerbungsschreiben für die SVP, könnte man meinen, dass alle Wählerinnen und Wähler der anderen Parteien, und offensichtlich auch ein zunehmender Teil der FDP-Mitglieder, sich nichts sehnlicher wünschen als unfrei und unter Zwang zu leben.

Und: Möchten sie wirklich alle lieber von anderen regiert werden, etwa von einer Bande von Ökoterroristen wie Regula Rytz, Balthasar Glättli oder Ruedi Noser? Oder gar von Greta Thunberg und ihrem fehlgeleiteten Heer von Kindern, die sich mehr um ihre Zukunft sorgen als darum, möglichst schnell ihre Erfindergabe zu nutzen, um sich ihre Wünsche und Träume von einem Geländewagen und einem Badeweekend in Florida leisten zu können? Sind tatsächlich alle Schweizerinnen und Schweizer ausser einigen Partisanen, die das Reduit der Liberalität verteidigen, inzwischen so durchgedreht, dass sie im September freiwillig ihre rot-grünen Henker und «Umverteilungsteufel» wählen, damit diese schnellstmöglich eine sozialistische Ökodiktatur errichten können?

Ohne Eigenverantwortung geht es nicht, meint Feusi. Mit Eigenverantwortung aber erst recht nicht

«Liberalismus», schreibt Feusi, «ist die Idee, dass die Entscheidungen der Einzelnen für sich selber besser sind als die Vorgaben von Regierenden für alle.» Geschenkt, dass es einige Ausnahmen von diesem neoliberalen Credo braucht, etwa wenn wieder einmal eine Grossbank gerettet werden muss, die Autoimporteure für ihre überdimensionierten und unsinnig spritfressenden Karossen Ausnahmeregelungen brauchen oder die Fluggesellschaften partout keine Lust haben, für die Klimaschäden aufzukommen, die sie verursachen.

Im Prinzip aber bleibt Feusi dabei: Zur Ur-DNA der Liberalen gehört die Eigenverantwortung, auch wenn es in der ganzen Weltgeschichte noch kaum einen Beleg dafür gibt, dass das mit der Eigenverantwortung wirklich schon einmal funktioniert hat. Im neuen Klimapositionspapier der FDP aber komme sie, so Feusi, nur noch kurz in der Einleitung vor, bevor die Parteileitung sich voll für all die sozialistischen Massnahmen wie CO2-Steuer oder Flugticketabgabe begeistere. Und sich zuletzt sogar dafür ausspreche, das Klimaabkommen von Paris, das die Schweiz längst ratifiziert hat, auch tatsächlich umzusetzen.

Ja, was soll denn ein Liberaler wie Dominik Feusi im Herbst wählen? Wo langsam alle Parteien rot-grün durchseucht sind und niemand sich mehr so richtig getraut, urliberal und eigenverantwortlich zu sagen: Was geht mich denn das Klima an? Sollen die in der Südsee doch selber schauen, wie sie es mit ihrem Erfindergeist hinkriegen, dass der Meeresspiegel nicht weiter ansteigt. Und wer ist schon so dumm und kommt in einem afrikanischen Dürregebiet zur Welt, wo man doch weiss, dass es mit dem Klima seit Millionen von Jahren immer mal wieder rauf und runter geht? Vielleicht wäre es doch die beste Lösung, wenn Dominik Feusi am 29. September ganz einfach zu Hause bliebe. (CR)