Dass die Erderwärmung gefährlich zunimmt, wenn wir nicht radikal dagegen steuern, dass Hitzewellen und extreme Wetterverhältnisse häufiger werden, sagen uns die Klimawissenschafter seit vielen Jahren. Und doch erregen Katastrophenmeldungen kaum mehr grösseres Aufsehen .
Die Warnungen der Klimawissenschafter beruhen, auch wenn einige Klimaskeptiker das immer noch nicht glauben wollen, weder auf Vermutungen noch auf Stammtischkalauern, sondern auf dem Verständnis physikalischer Naturgesetze, auf langjährigen Messreihen, enormen Mengen von Daten, auf Analysen und Modellrechnungen. Kurz: Eigentlich wissen wir seit Jahrzehnten sehr genau, dass wir auf einem Pulverfass sitzen. Neu aber ist: Was vor Jahrzehnten noch Zukunft war, die man leicht verdrängen konnte, ist heute Gegenwart. Das Klima verändert sich rapid, die Voraussagen der Wissenschafter bestätigen sich Mal für Mal. Längst schädigt die Menschheit nicht mehr nur die Natur, sondern sich selbst. Und man muss inzwischen schon eine schwerwiegende Wahrnehmungsstörung haben, wenn man glaubt, dass man mit einer Benzinpreiserhöhung um ein paar Rappen und einer Flugticketabgabe von ein paar Franken davonkommen wird.
Wie die Tamedia-Zeitungen berichten, herrschen in einigen Regionen Indiens Temperaturen von 45 bis über 50 Grad. Diese Hitzetage und Hitzewellen sind nicht bloss etwas unangenehm, sondern lebensbedrohend. (Auch das ist keine alarmistische Übertreibung, sondern ein medizinischer Befund.) Zugleich wird in vielen Regionen Indiens die Wasserknappheit immer grösser; laut einer Studie der indischen Umweltbehörden könnten bereits im kommenden Jahr 21 indische Metropolen mitsamt der Hauptstadt Delhi zu wenig Wasserreserven haben, um die Bevölkerung versorgen zu können. (Man muss sich das einfach einmal vorstellen, wie es wäre, wenn wir jeden Tag ein, zwei Stunden bei einem Tankwagen anstehen müssten, um zehn, zwanzig Liter für eine ganze Familie zu ergattern. Vielleicht würden wir dann einige Abstriche an Luxus in Kauf nehmen, auf einiges sogar freiwillig verzichten, um nicht in eine ähnliche Lage zu kommen.)
Bei den Naturgesetzen gibt es keinen Sonderfall Schweiz
«Meteorologen», schreiben die Tamedia-Blätter, «gehen davon aus, dass sich die Situation weiter verschärfen wird. Künftige Hitzewellen werden wahrscheinlich nicht mehr nur einzelne Regionen betreffen, sondern regelmässig das ganze Land. Zur Einordnung: Indien ist 80-mal so gross wie die Schweiz und hat über 1,3 Milliarden Einwohner.»
Der Bericht der Tamadie-Blätter geht auf einen Beitrag des amerikanischen Senders CNN zurück, der sich wiederum auf eine Studie des renommierten Klimaforschers Elfatih Eltahir und einigen Kollegen am Massachusetts Institute of Technology (MIT) bezieht.
Die MIT-Forscher, so derTamedia-Bericht, gehen von zwei Szenarien aus: Im ersten erhöht sich die weltweite Oberflächentemperatur bis zum Ende des Jahrhunderts um durchschnittlich 4,5 Grad, im zweiten «nur» um 2,25 Grad: «Tritt die optimistischere Prognose ein, werden die Bedingungen für viele Menschen in dieser Region prekär, aber noch nicht gänzlich lebensbedrohlich. Beim heisseren Szenario hingegen werden die Grenzen der Überlebensfähigkeit sowohl im Nordosten und Osten Indiens als auch in Teilen des Nachbarlands Bangladesh überschritten. Das fruchtbare Tal entlang des Ganges und weitere Regionen Südasiens, unter anderem der Norden Sri Lankas und der Osten Pakistans, wären auch nur noch bedingt bewohnbar.» Das Leben von mehr als einer Milliarde Menschen wäre dann in einigen Jahrzehnten akut gefährdet. Und die Welt, auch die Schweiz, eine völlig andere. Viele Ausreden wären dann nicht mehr möglich, weil wir gar keine andere Wahl mehr hätten, als einen weltweiten Klimanotstand auszurufen und alles, was wir jetzt versäumen, in wenigen Jahren nachzuholen.
Und was die Tamedia-Leserinnen und Leser dazu denken
Fast so aufschlussreich wie der Tamedia-Bericht über Indien selber sind die (grammatikalisch und orthografisch leicht redigierten) Kommentare. Über einige darf man durchaus ein wenig erschrecken, etwa, wenn ein Roland Benz schreibt: «An irgendetwas muss der Mensch sterben, sonst bricht das System komplett zusammen. Aber wenn wir bereits Massnahmen wegen 100 Toten fordern, werden wir immer mehr, und mehr zum Problem für den Planeten.» Oder ein Roman Meier: «Vielleicht könnten die Forscher zur Abwechslung auch mal darauf hinweisen, dass es in Zukunft Gebiete auf der Erde geben wird, die bisher zu kalt waren für Menschen, anstatt immer nur Panik zu verbreiten wegen der Hitze!» Erstaunlich auch ein Walter Krebs: «Klima-Forscher und andere Wetterpropheten, hört doch auf, das Milliarden-Geschäft der Grünen und der Klimahysteriker zu unterstützen und den Menschen Angst zu machen. Im Buch von Yuval Noah Harari „HOMO DEUS“ (…) kann man lesen, dass ab dem 15. Jahrhundert Abermillionen Menschen wegen Dürre, Hungersnot, Pestilenzen und dergleichen gestorben sind. (…) Schon damals, wie heute, waren die Menschen für den Klimawandel (…) nicht verantwortlich.»
Erika Zwicky meint: «Solange das Bevölkerungswachstum nicht drastisch eingeschränkt wird, sind alle Massnahmen wohl wirkungslos. Das muss Indien selber machen, und nein, es sind nicht die Europäer schuld.» ÄhnlicherAnsicht ist auch ein Heinz Müller: «Gegen diese Hitzewellen gäbe es duchaus Massnahmemöglichkeiten. Auch gegen den Wassermangel. Aber Indien ist dermassen korrupt. Leider geht da überhaupt nichts. Schon nur wenn man die Wasserleitungen ordentlich sanieren würde, wäre einiges gewonnen. Aber das ist in diesem Land leider nicht möglich. Und nein, daran sind wir Weissen für einmal nicht schuld.»
Auch ein Wissenschaftsskeptiker Peter Glaser meldet sich: «Klar werden in Delhi irgendwo über dem Asphalt 48 Grad gemessen, könnte man auch in Uzwil tun, wenn man wollte. Wir wissen weder, wie diese Messungen zustandekamen, noch wie es andernorts aussieht (…) Wer eine «Klimahysterie» herbeischreiben will, kriegt die auch hin.» Oder Max Berchtold: «Nanana, zuerst muss mal jeder bei sich aufräumen. Das gilt für Indien wie die Schweiz. Die Schuld am eigenen Elend anderen in die Schuhe schieben, besonders wenn es um den „reichen“ Westen geht, greift zu kurz.» Und schliess ein Edouard von Witzleben: «Wenn es halt keine grossen Kriege mehr gibt, wo die Leute der massiv überbevölkerte Erde dezimiert werden, hilft wie schon seit ewigen Zeiten die Natur nach. Ist doch gut so und völlig normal…» (CR)