Am vergangenen Montagmorgen (8. Juli) besetzten einige Dutzend Klimaaktivisten, die sich Collective Climate Justice nennen, die Eingänge der Hauptsitze der Credit Suisse in Zürich und der UBS in Basel. Sie errichteten Sitzblockaden und versperrten die Zugänge. Sie protestierten mit diesen Aktionen dagegen, dass die beiden Grossbanken immer noch riesiger Summen in Öl, Gas und Kohle investieren. Nach ein paar Stunden wurden die Blockaden von der Polizei geräumt. In Basel wurden einige wenige verhaftet, in Zürich, wo die Grüne Karin Rykart der Polizei vorsteht, wurden insgesamt 64 Demonstrantinnen und Demonstranten verhaftet, mehrere von ihnen sassen danach zwei Nächte im Knast.

Kaum waren die beiden Blockaden beendet, hagelte es von allen Seiten gute Ratschläge. Mauro Tuena, SVP-Nationalrat und Präsident der Zürcher Stadtpartei, sonst eher weniger besorgt um das gute Image der Klimaschützer, hat zwar laut Tages-Anzeiger nicht ganz verstanden, worum es den Blockierern eigentlich ging. Trotzdem mahnte er besorgt: «Sie haben dem Anliegen geschadet». Auch die Grünliberalen, als selbsternannte Brückenbauer immer bemüht, es allen recht zu machen, zeigen sich besorgt. Sie finden die Aktion ein bisschen gut, aber auch ein bisschen schlecht. Damit stosse man die Bevölkerung vor den Kopf, meinte GLP-Nationalrat Beat Flach, übrigens brauche man doch auch das Wohlwollen der Wirtschaft, wenn man etwas erreichen wolle. Dass findet auch seine Parteikollegin Tiana Angelina Moser; es brauche gesamtgesellschaftliche Lösungen und dazu gehören eben auch die Wirtschaft und der Finanzplatz. Ebenfalls kritisch sieht laut Tages-Anzeiger SP-Nationalrat Beat Jans die Blockade, während die Zürcher SP-Gemeinderätin Simone Brander bedauert, dass die Aktivistinnen «keine klaren Forderungen haben, auf die die Politik reagieren» könne. Warum die SP klare Forderungen von aussen braucht, um reagieren zu können, erklärte Brander dem Tages-Anzeiger nicht.

Auch die NZZ, deren Chefredaktor Eric Gujer die Klimabewegung noch vor drei Monaten als romantischen «Kinderkreuzzug» verhöhnte, war diesmal flugs mit guten Tipps zur Stelle. Nur ja sollte die Bewegung darauf achten sich nicht vereinnahmen zu lassen, weder vom linksextremen Schwarzen Block noch von den Parteien. Auf der Linken gebe es Teile, die das System umbauen wollten: «Solche Vereinnahmungen können dann zu radikalem Vorgehen führen.» Dass die jungen, selbstbewussten und gescheiten Klimaaktivisten keine derartigen Ratschläge brauchen, sich sehr wohl selber zu helfen wissen – und dies bis heute auch getan haben -, scheint die NZZ noch nicht so richtig realisiert zu haben.

Souverän reagierte bloss der grüne Nationalrat Balthasar Glättli.  Er fand die Radikalität der Blockiererinnen und Blockierer eher harmlos im Vergleich zur Radikalität, mit der die Grossbanken Milliardenbeträge in klimaschädliche Unternehmen investieren. Im übrigen, so Glättli laut Tages-Anzeiger, agierten die Grünen und die Klimaaktivisten auf einem ganz anderen Terrain: die Aktivisten mobilisieren auf der Strasse, kämpfen um Öffentlichkeit, während die Grünen versuchen, im Parlament mit Vorstössen etwas zu verändern.

Klare Worte gab es auch von der Zürcher Klimastreikbewegung. In einem Leserbrief im Tages-Anzeiger verbat sie sich jede Einmischung und jeden Versuch, die Klimaschutzbewegung zu spalten: «Für uns von der Klimastreikbewegung ist jeder friedliche Protest gegen Klimazerstörer wie die Credit Suisse und die UBS berechtigt. Wir lassen uns von niemandem spalten. Die Klimabewegung kämpft vereint gegen die Klimakrise.»

«Die Proteste gegen die Banken sind völlig gerechtfertigt

Sind die Blockaden nun also radikal, extremistisch, gefährlich oder vielleicht doch eher vernünftige, sinnvolle Aktionen, um auf ein dringliches Problem aufmerksam zu machen?

Eigentlich ist an den Blockaden der Klimaaktivisten nichts auszusetzen, ausser dass sie ein bisschen illegal sind. Protest gegen die beiden Grossbanken Credit Suisse und UBS ist mehr als gerechtfertigt. Die beiden Banken gehören indirekt mit zu den grössten CO2-Schleudern der Welt: Sie sind gemäss Berechnungen von Greenpeace allein in den Jahren 2015 bis 2017 mitverantwortlich für CO2-Emissionen von insgesamt 182,9 Millionen Tonnen. (Zum Vergleich: Die Schweiz emitierte 2016 laut Bundesamt für Umwelt 48,3 Millionen Tonnen.) Würde man die Investitionen in Firmen dazuzählen, die zwar nicht im Energiehandel tätig sind, aber besonders CO2-intensiv Produkte herstellen, wäre der ökologische Fussabdruck der beiden Banken noch bei weitem grösser.

Zugleich sind diese beiden Banken unbeschreibliche Heuchler. In ihren Werbebroschüren gerieren sie sich schon fast als militante Klimaaktivisten: „Wir unterstützen den Wandel zu einer klimagerechten Welt», schreibt die UBS, «unsere Klimastrategie unterstreicht unser Engagement für die Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung (…).“ Und die Credit Suisse heuchelt in ihrer Werbeschrift „Erklärung zum Klimawandel“: „Wir anerkennen die Rolle, die uns bei der Mobilisierung der finanziellen Mittel zukommt, die für den Übergang der globalen Wirtschaft hin zu kohlenstoffarmen Aktivitäten benötigt werden.“

Seit Jahren machen Greenpeace und andere Umweltorganisationen immer wieder auf diese Fakten und Widersprüche aufmerksam. Weitgehend erfolglos: Wenn sie Glück haben, gibt es eine kleine Notiz in den Tageszeitungen unter «Ferner liefen». Nicht von ungefähr also, wenn ein Teil der Klimaaktivisten jetzt eine kleine Spur radikaler agiert und in einer friedlichen Aktion für eine Weile ein paar Bankenportale blockiert. (Und wenn die kleine Nebenbemerkung erlaubt ist, ein Nichts im Vergleich zu den illegalen Aktionen, der kriminellen Energie der beiden Banken, die zu Milliardenstrafen verurteilt wurden, ohne dass die Verantwortlichen dafür belangt wurden.)

Die Klimaaktivisten machen sich einfach eine Jahrzehnte alte Erkenntnis zu eigen. Die Älteren wissen es seit dem Globuskrawall, seit Kaiserangst oder dem Jurakonflikt, die Jüngeren seit der 80er-Bewegung, dem Hambacher Forst und Greta Thunberg: Ohne die illegalen Aktionen der Beliers gäbe es keinen Kanton Jura, ohne den Opernhauskrawall keine Rote Fabrik und keine Öffnung der Zürcher Kulturpolitik, ohne die illegalen Baumhütten im Hambacher Forst keinen so schnellen Kohlenkompromiss, ohne Greta Thunberg und die Schulschwänzer der Klimajugend keine hitzigen Diskussionen in den Parlamenten, kein Zittern der Parteien vor den komenden Wahlen und kein FDP-Klimapositionspapier.

Zudem: Bisher hat die Klimaschutzbewegung ihre Forderungen vor allem an die Parteien gerichtet. Sie sollen mit ihr Politik dafür sorgen, dass die Ziele des Pariser Klimaabkommens erreicht werden. Oder, noch besser, dass jene Ziele erreicht werden, welche die Wissenschaft vorgibt, damit die schlimmsten Folgen der Klimaerhitzung mit grosser Wahrscheinlichkeit vermieden werden können. Mit diesen Blockaden aber soll die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf einen Bereich gelenkt werden, welcher der demokratischen Kontrolle weitgehend entzogen ist.

Was tun, wenn einige Manager über unsere Zukunft entscheiden?

Man kann es drehen, wie man will: Einige wenige Manager und mächtige Investoren privater Unternehmen und Konzerne treffen Entscheidungen, die uns, unsere Zukunft und vielleicht sogar das Überleben unserer Kinder und Enkel betreffen und deren Folgen die ganze Gesellschaft ausbaden muss. Mitreden, Mitbestimmen aber können wir bei all diesen Entscheidungen nicht. Das einzige bescheidene Mittel, das bleibt, um uns in unsere eigenen Angelegenheiten einzumischen, besteht darin, diesen offenkundigen «Systemfehler» öffentlich anzuprangern und öffentlichen Druck auszuüben. Dass dabei der gewohnte Gang der Dinge etwas gestört wird, dass es dabei zu einigen Übertretungen kommt, nehmen die Blockiererinnen und Blockierer ebenso in Kauf wie die absehbaren Strafen. Wer diese Blockaden verurteilt, hat juristisch recht, muss sich aber immerhin fragen lassen, was denn eigentlich in unserer Gesellschaft schiefläuft, dass es offensichtlich illegale Aktionen braucht, damit man nur schon zur Kenntnis genommen und gehört wird. (CR(