Potzblitz, Armin Müller, Chefredaktor der SonntagsZeitung, hat es geahnt: Die sogenannte Klimajugend ist in Wahrheit eine Generation Easy Jet. Statt Wanderferien in Schweiz jetten die Jungen rund um die halbe Welt. Und ein Teil von ihnen liebäugelt gar mit dem Terrorismus.
Was sind denn die wichtigsten Befunde der «exklusiven Umfrage im Auftrag der SonntagsZeitung», die von den beiden Autoren Tina Huber und Barnaby Skinner sowie Armin Müller mit unüberlesbarer Schadenfreude zusammengefasst und kommentiert werden, als hätten sie gerade einen kleinen Jungen mit einem Joint ertappt.
«Ausgerechnet die Generation jener Schüler und Jugendlicher», schreiben die beiden Autoren, «welche die Klimastreiks angestossen hat, verhält sich beim Reisen am wenigsten umweltfreundlich: Auf die Frage, mit welchem Transportmittel sie dieses Jahr in die Ferien reisten, gaben zwei Drittel der 13- bis 17-Jährigen an: mit dem Auto oder Flugzeug. Je älter die Befragten, desto tiefer dieser Wert.»
Ähnliches belegen auch die neusten Zahlen des Flughafens Zürich: «Im Juni», so die SonntagsZeitung, » verzeichnete das Geschäft einen Passagierzuwachs von 4,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr – 2 Millionen Passagiere flogen im vergangenen Monat von und nach Kloten.» Ähnliches vermelden auch die Flughäfen Genf und Basel-Mülhausen.
Und so kommt die SonntagsZeitung denn zum Schluss: «All dies setzt ein Fragezeichen hinter den Begriff der ‹Klimajugend›: Es scheint, als habe die Bewegung breite Kreise der Jugendlichen nicht erreicht. (…) Bereits 2015 zeigte eine Studie des Bundesamts für Statistik, dass keine Altersgruppe privat mehr fliegt als die 18- bis 24-Jährigen. Die «Generation Easyjet», die sich die Welt im Billigflieger zu eigen macht, scheint nun auch in Zeiten des Klimastreiks mehr als ein Klischee zu sein.» Und: «Von Flugscham kann bei jungen Menschen also offenbar keine Rede sein.»
Lauter Wölfinnen und Wölfe im Schafspelz?
Und Potzblitz, wir haben es leider ja auch geahnt: Armin Müller, der Chefredaktor und Chefschwadroneur der SonntagsZeitung, nutzt die Gelegenheit, spielt den Köppel und schreibt in seinem Kommentar: «Die Klimaaktivisten sind eine kleine, radikale Minderheit. Ihre Taktik beschert ihnen maximale mediale Präsenz und grosse Aufmerksamkeit, wie die Blockierung der Zugänge zu den Banken UBS und Credit Suisse gezeigt hat. Aber ihre Forderungen – Nullemissionen bis 2025 oder 2030 – und ihre Weltuntergangsrhetorik sind nicht mehrheitsfähig. Was ihre Radikalität aber nur anstachelt».
Und weil die Schweizer Klimaaktivisten (zumindest bisher) nichts hergeben, was nach Schurkerei, Gewalt und Zerstörung klingt, bemüht Armin Müller Gerüchte über die Bewegung «Extinction Rebellion», die zwar «mit Strassenblockaden, zivilem Ungehorsam, Gewaltverzicht und Partystimmung versuche, die Sympathien der Bevölkerung zu gewinnen, gleichzeitig aber möglichst viel wirtschaftlichen Schaden anrichten» wolle. Schlimmer noch: «Ihre Wortführer verlangen von den jungen Aktivisten, sich festnehmen zu lassen und im Extremfall das Leben zu riskieren, denn Märtyrer würden ihre Sache voranbringen. Mit solchen Taktiken lassen sich Diktaturen stürzen. In einer Demokratie müsste man die Mehrheit überzeugen.» Mit anderen Worten: Müller verortet Extinction Rebellion ganz nah beim Terrorismus.
Woher er diesen kapitalen Unsinn hat, lässt er die Leserinnen und Leser leider nicht wissen. Eine Möglichkeit könnte eine Studie des umstrittenen britischen Terroristenjägers Richard Walton sein, der in zahlreiche schmutzige Skandale verwickelt war, und von Tom Wilson, einem Autor des erzkonservativen Thinktanks «Policy Exchange». (Über beide gibt es ausführliche Dokumentationen hier und hier
Was abgesehen von diesen Räubergeschichten am meisten ärgert, ist die Häme, mit der Müller die Klimaaktivisten versucht blosszustellen. Dabei verhalten sich diese wie wir alle. Gewiss, es ist gut, wenn Menschen dem Klima zuliebe aufs Fliegen und aufs Auto verzichten und Fahrrad fahren. Aber es ist auch völlig normal und nicht ehrenrührig, wenn Schülerinnen und Schüler wie viele ihrer Kolleginnen und Kollegen mit Billigflügen in die Ferien fliegen. Man braucht kein Fachpsychologe zu sein, um zu wissen, dass die wenigsten Menschen ganz freiwillig und einfach so auf Annehmlichkeiten verzichten. Wo immer es um Klimapolitik geht, redet man von (positiven oder negativen) Anreizsystemen, von Belohnungen, Regeln, Strafsteuern oder Verboten. Warum sollen ausgerechnet Schülerinnen und Schülern viel bessere Menschen sein als wir? Warum stellt man an sie Ansprüche, die man selber nicht bereit ist zu erfüllen?
Die richtige Lösung geben die Klimaaktivistinnen und -aktivisten übrigens selber vor: Es ist nicht (oder nur in geringem Mass) ihre Sache, Klimaschutz selber zu betreiben. Sie protestieren gegen eine Politik, die nur redet und kaum etwas unternimmt. Und sie fordern, dass die Politik Gesetze beschliesst, Anreize schafft, Regeln und Verbote erlässt, damit die CO2-Emissionen bis 2030 oder 2050 auf Netto Null sinken. Kurz: Sie fordern nicht bessere Menschen, sondern eine bessere Politik. (CR)