Sauberes Fliegen in vier Schritten – wie ein Professor, ein FDP-Mitglied und der grünliberale Nationalrat Martin Bäumle der Flug-Lobby einen Gefallen tun wollen.

Je näher die Ständeratsdebatte um das CO2-Gesetz rückt – sie beginnt am 23. September -, desto skurriler werden die Vorschläge, mit denen die Klimaschutz-Gegner versuchen, die Flugticketabgabe wenn nicht zu verhindern, dann zumindest auf andere Art und Weise unschädlich zu mache, dass sie mit Sicherheit gar niemandem mehr weh tut.

«Sauberes Fliegen» verspricht ein illustres Trio in der NZZ am Sonntag, dem erstaunlicherweise auch der grünliberale Nationalrat und Berufs-Opportunist Martin Bäumle angehört. Mastermind aber ist Anthony Patt, Professor für Klimaschutz und -anpassung am Department Umweltsystemwissenschaften an der ETH, der seit längerem mit seinen Ideen für «Sauberes Fliegen» hausieren geht. Der Dritte im Bund: der Physiker und Dietiker FDP-Gemeinderat Peter Metzinger.

So einfach geht’s: Erstens, zweitens, drittens, viertens

Schon Anfang Jahr weibelte Patt gegen eine CO2-Steuer resp. eine Flugticketabgabe. In der NZZ vom 24. Januar etwa zeigte sich Patt zusammen mit ETH-Professor Johan Lilliestam zwar als strammer Klimaschützer, der irgendwie schon für einen vollständigen Ausstieg aus der fossilen Energie einsteht, aber zugleich als strikter Gegner einer CO2-Steuer auftritt. Wie der Ausstieg aus dem CO2 denn gehen soll? Ganz einfach, nämlich genauso, wie Hänschen sich das vorstellt: «Erstens müssen neue Technologien überhaupt entstehen. Staatlich geförderte Forschung und Entwicklung ist hierfür entscheidend. Zweitens müssen diese Technologien bezahlbar werden. Das geschieht nicht im Labor, sondern durch Kommerzialisierung. (…) Drittens – sobald sie wirtschaftlich wettbewerbsfähig sind – müssen neue Technologien von der Nische zum Mainstream übergehen. (…) Viertens wird die neue Technologie, sofern sie besser und günstiger ist, zur Normalität.» Auf keinen Fall aber, so Patt damals, führt dieser Königsweg über eine CO2-Steuer, wie sie die meisten Klimaforscher und -ökonomen für unabdingbar, wenn auch nicht für ausreichend halten.

Mit einer Mini-Flugticketabgabe zum «sauberen Fliegen»

Jetzt aber, seit die FDP für eine Flugticketabgabe ist und sie im Ständerat wohl unvermeidlich angenommen wird, geht es dem Professor, dem Freisinnigen und dem Grünliberalen darum, die Abgabe wenigstens so klein zu halten, damit sie niemandem, weder den Flugkunden noch den Fluggesellschaften, weh tut.

70 Franken soll die Abgabe für einen Flug von Zürich nach New York und zurück kosten – dass auf den Rückflug ohnehin keine Abgabe erhoben wird, ist den drei Experten wohl entgangen -, Flüge innerhalb von Europa sollen noch wesentlich billiger sein. Die Einnahmen aus diesen Abgaben sollen aber nicht, wie die vorberatenden Ständeratskommission vorschlägt, zum grossen Teil an die Bevölkerung und «die Wirtschaft» zurückverteilt werden, sondern für die Entwicklung von synthetischem Kerosin verwendet werden. Und schon wird die Menschheit sauber fliegen können.

Sprachliche Nebelgranaten: «Möglicherweise», «vielleicht» – oder eben auch nicht

Allerdings hat das Verfahren, das in kleineren Versuchsanlagen bereits erprobt wird, mehrere Haken: Das Syntheseverfahren braucht enorm viel Strom, der das synthetische Kerosin drei- bis viermal teurer macht als das herkömmliche Kerosin. Deshalb müssten, so zitiert die NZZ die drei Autoren, grosse Solaranlagen zur Stromproduktion gebaut werden. Die Kerosin-Produktion soll deshalb in Ländern geschehen, in denen die Sonne mehr scheint als in der Schweiz. Schon eher kleinlaut meinen Bäumle und seine Mitstreiter, es sei zu erwarten, dass die Kosten allmählich sinken werden. Und: Werde Geld für die Weiterentwicklung dieser Technologie aufgewendet, sei mit Fortschritten zu rechnen. Und schliesslich: «Weil für die Gewinnung von synthetischem Treibstoff grosse Industrieanlagen nötig sind, müssten internationale Projekte vorangetrieben werden.»

Hier liege, geben die drei Autoren zu, «möglicherweise ein Haken. Es braucht lange und aufwendige Vorarbeiten.» In der Tat brauchen solche internationalen Grossprojekte bis zur Realisierung in der Regel Jahrzehnte, und bis dann, ganz vielleicht, die Kosten allmählich sinken, sind wir wohl bereits im Jahr 2050 angelangt, ohne dass Patts Fata Morgana bis dahin etwas zum Ziel Netto-Null beigetragen hätte.

Wie aber eine so verwendete Mini-Flugticketabgabe dazu beitragen soll, bis 2030 – das ist die Geltungsdauer des CO2-Gesetzes – die CO2-Emissionen auf 50 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren, erklären uns die drei Klimaschützer nicht. Und erst recht nicht, bis wann erstens, zweitens, drittens, viertens dieses Verfahren Normalität sein wird.

Die Flug-Lobby applaudiert

Trotzdem bekommen die drei Fantasten natürlich Applaus von der Flug-Lobby. Kein Zufall, denn das Projekt vom synthetischen Kerosin steht seit Längerem auf der Webseite von Klimaschutz Portal, dem Tarnkappen-Portal des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft. Philipp Bircher, Sprecher des Flughafens Zürich, kommentiert laut NZZ den Vorschlag mit einem Satz, der zwar nichts mit Klimaschutz und dem CO2-Gesetz zu tun hat, aber deutlich macht, worum es letztlich geht: «Wir sind überzeugt, dass die Schweiz in ihrer internationalen Anbindung wettbewerbsfähig bleiben muss und deshalb nationale Alleingänge nicht zielführend sind.» Auch die Fluggesellschaft Swiss reagiert, so die NZZ, wohlwollend. Und der Zürcher FDP-Ständerat Ruedi Noser, Mitinitiant der Gletscherinitiative, hält synthetisches Kerosin für «ein spannendes Projekt», auch wenn es dem strengen Absenkungskurs der Gletscherinitiative so ziemlich diametral entgegensteht. Das Grün der FDP und der GLP ist eben nur dann so richtig grün, wenn es anderen, wirtschaftlichen Interessen nicht im Weg steht. (CR)