Am 20. September, kurz vor dem Klimagipfel in New York, hat die deutsche Regierung das sogenannte Klimapaket verabschiedet, ein dürftiger Kompromiss des sogenannten Klimakabinetts. Während sich die beteiligten Ministerinnen und Minister gegenseitig auf die Schultern klopften, waren sich Klimawissenschafter, Umweltorganisationen, Klimaaktivisten und Opposition einig darin, dass der Kompromiss niemals ausreicht, um die vorgegebenen Klimaschutzziele zu erreichen. Jetzt, nach dem Klimagipfel, macht die Regierung bereits wieder einen Rückzieher..
Ein «grosser Wurf» sei es geworden, bluffte der deutsche Vizekanzler Olaf Scholz. Bundeskanzlerin Angela Merkel gab zwar zu, dass sich mit den gefassten Beschlüssen das 1,5-Grad-Ziel kaum erreichen lasse, aber Politik sei eben das, was möglich sei. Und sie versicherte: «Diese Möglichkeiten haben wir ausgelotet.»
Jetzt zeigt sich, dass auch diese Versicherung dem Druck der CDU/CSU-Fraktion nicht zu halten ist. Der offenbar definitive Entwurf des Umweltministeriums, der dem «Spiegel» vorliegt und am kommenden Mittwoch im Kabinett verabschiedet werden soll, ist gegenüber der ursprünglichen Fassung massiv abgeschwächt worden.
Weder klare Reduktionsziele noch wirksame Kontrollmechanismen
Das beginnt schon damit, dass für das Jahr 2040 kein nationales Ziel zur CO2-Einsparung mehr definiert wird. Nachdem Merkel zugeben musste, dass das Ziel für 2020 sicher nicht, und das Ziel für 2030 wahrscheinlich nicht erreicht werde, versprach sie, dass man alles tun werde, um 2040 auf Kurs zu sein. Abgeschwächt wurde auch das Versprechen, dass die Bundesrepublik bis 2050 keine klimaschädlichen Treibhausgase ausstossen werde. Neu heisst es lediglich, dass dieses Ziel «verfolgt» werden soll.
Im Entwurf vorgesehen war, dass zur Überprüfung, ob der «Reduktionspfad» tatsächlich eingehalten werde, ein sogenannter Klimarat ein jährliches Hauptgutachten erstellt. Neu will die Regierung nicht nur auf dieses jährliche Gutachten verzichten; der Klimarat soll auch keine Vorschläge machen dürfen, wie die fehlbaren Ministerien nachjustieren sollen, wenn die Einsparungsziele in einzelnen Sektoren verfehlt werden.
Und besonders durchsichtig heisst es neu im Gesetzentwurf : «Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates die Jahresemissionsmengen der Sektoren zum Beginn des jeweils nächsten Kalenderjahres zu ändern.» Dass ist deshalb pikant, weil derzeit in mehreren Bundesländern die Grünen und die Linke mitregieren, also allfällige Kungeleien der Bundesregierung durchkreuzen könnten. So aber können die Ministerien ohne Einmischung von «aussen» untereinander Einsparkontingente untereinander verrechnen und so Defizite in einzelnen Bereichen ausgleichen wenn etwa der Verkehr seine Ziele nicht erreicht. Zudem können Defizite über einen längeren Zeitraum ins Folgejahr geschoben werden.
Gegenüber den Entwurf nicht verändert hat sich die völlige zahnlose Idee, beim Zertifikatshandel fossiler Heiz- und Brennstoffe 2021 mit nur 10 Euro pro Tonne einzusteigen und den Preis dann langsam ansteigen zu lassen.steigen. Experten und Kritiker, selbst innerhalb der SPD, sind sich einig, dass diese Trippelschrittchen – der Liter Benzin oder Diesel verteuert sich ab 2021 um gerade einmal 3 Cent – nicht die geringste Wirkung auf den Verbrauch von Benzin und Diesel haben wird.
Eine Bankrotterklärung: «Schlimmer geht’s nimmer.»
Die durch den Spiegel bekannt gewordenen Abschwächungen haben denn auch für heftige Kritik gesorgt. Der Linken-Chef Dietmar Bartsch twitterte laut der Frankfurter Rundschau: «Was für eine Regierung? Jede Woche eine neue Meinung. Die können es nicht.» Die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Britta Hasselmann, sprach von einer «Bankrotterklärung»: «Nicht zu fassen! Schon mit dem ursprünglich von CDU/CSU u. SPD angekündigten Klimapaket wäre die Einhaltung der Klimaziele von Paris nicht mehr möglich gewesen. Anscheinend bleibt #BRG (die Bundesregierung) jetzt noch dahinter zurück – schlimmer geht’s nimmer».
Aber innerhalb der regt sich wieder heftiger Protest. der SPD-Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach schrieb auf Twitter: «Wird das Klimapaket durch die Union noch weiter abgeschwächt, ist es nur noch ein zahnloser Tiger. Alles, was fehlt, muss von unseren Kindern sehr viel teurer und drastischer nachgeholt werden. Die SPD sollte nicht auf der falschen Seite der Geschichte stehen.»
Und der Chef des Deutschen Naturschutzrings, Kai Niebert, sagte dem «Spiegel»: «Was wir gebraucht hätten, wäre ein klarer Business-Plan für den Klimaschutz gewesen. Was wir bekommen haben, ist ein Plänchen, mit dem die Unsicherheit und Unplanbarkeit für Sektoren bleiben.» (CR)