Wenn der Nationalrat in der kommenden Debatte über das CO2-Gesetz nicht ein Importverbot für jene Neuwagen beschliesst, welche den vorgeschriebenen Grenzwert nicht einhalten, wollen die Jungen Grünen eine entsprechende Volksinitiative lancieren. Ein Lackmus-Test für das Parlament, das viel redet, aber nur zögerlich handelt.

Werbung in der NZZ am Sonntag vom 1. März 2020. Die beiden Mercedes-Modelle in der miserablen Energieeffzienz-Kategorie F resp. G emittieren, wie man im Kleinstgedruckten fast nicht lesen kann, 205 resp. 241 statt 95 Gramm CO2 pro Kilometer.

Die Jungen Grünen haben recht; ihnen reicht’s. Sie haben genug von den ewigen Beteuerungen der Autoimporteure und Garagisten, sie seien ja eigentlich auch für Elektromobilität, wenn nur die Kunden nicht so wild auf die teuren, überschweren und unsinnig übermotorisierten SUV und 4×4 wären . Sie haben genug von den grün gepuderten Freisinnigen, die immer noch das grosse Lied der Eigenverantwortung singen, obwohl die Wirklichkeit längst das Gegenteil bewiesen hat. Und sie haben vor allem genug von jenen parlamentarischen Schlaumeiern, die jede wirksame Klimapolitik mit dem Hinweis bekämpfen, man dürfe das CO2-Fuder nicht überladen, weil das unvernünftige Volk noch nicht so weit sei, den Ernst der Lage zu begreifen.

Der Grenzwert wurde noch nie eingehalten

Recht gibt den Jungen Grünen unter anderem ein Bericht, den das Uvek kürzlich veröffentlicht hat. Er zeigt, dass der im alten CO2-Gesetz festgelegte Grenzwert von 130 Gramm CO2 pro Kilometer für Neuwagen seit seiner Einführung noch gar nie eingehalten worden ist. Im Gegenteil: Nachdem die durchschnittlichen Emissionen in den ersten Jahren tatsächlich ganz leicht gesunken sind, ohne allerdings den Grenzwert zu erreichen, stiegen sie 2017 und 2018 sogar wieder an. Sie liegen derzeit bei 137 Gramm pro Kilometer. Und das trotz allen Hintertürchen und Ausnahmeregelungen, welche sich die Autolobbyisten erkämpft haben. Dass der ab diesem Jahr neu geltende Grenzwert von 95 Gramm in den kommenden Jahren erreicht wird, ist nahezu unmöglich. Denn die Autoverkäufer tun, wie das obige Inserat zeigt, entgegen ihren Beteuerungen alles, um den Kunden die teuren, unsinnigen Spritfresser anzudrehen.

Diese vergleichsweise hochpreisigen Fahrzeuge seien weiterhin sehr populär, schreibt das Uvek, das kaum im Verdacht steht, von der Klimajugend unterwandert zu sein, sie brächten den Importeuren und Händlern höhere Margen und würden entsprechend intensiv beworben.

Dass die Autoverkäufer gleichzeitig ein ganz klein wenig auch für Elektromobile oder Hybrid-Fahrzeuge werben oder diese selber kaufen und als Probe- und Ersatzfahrzeuge in denVerkehr bringen, hat, wie man ahnt, eher wenig mit einer selbstverantwortlichen klimafreundlichen Haltung zu tun, sondern ist einfach der paradoxe Trick, mehr CO2-Dreckschleudern verkaufen zu können. Denn für jedes E-Mobil können sie ein oder derzeit noch zwei SUV oder 4×4-Wagen verkaufen, die den Grenzwert nicht einhalten.

Zwar nehme der Marktanteil von emissionsarmen und vollelektrischen Fahrzeugen konstant zu, heisst es im Uvek-Bericht; dies habe aber den Anstieg der Durchschnittsemissionen bisher höchstens verlangsamt. 2018 betrug der Anteil von Elektro-Autos und Hybridfahrzeugen lächerliche 3,2 Prozent.

Solange der Flottendurchschnitt gilt, kann jeder machen, was er will

Im revidierten CO2-Gesetz sollen einige kleine Hintertürchen geschlossen und die gestaffelten Übergangsfristen, das sogenannte «Phasing», im Einklang mit den entsprechenden EU-Regulierungen verkürzt werden. Nicht angetastet aber werden die zwei zentralen Knackpunkte. Zum einen soll weiterhin der sogenannte Flottendurchschnitt zählen und nicht das einzelne Fahrzeug. Es darf, etwas vereinfacht formuliert, also weiter die Hälfte der künftig verkauften Neuwagen den Grenzwert überschreiten. Eine stichhaltige Begründung dafür gibt es nicht. Dass es, bei allem Wehklagen der Autoindustrie, auch ohne Durchschnitt und Ausnahmen gehen würde, bewies anfangs der 1990er Jahre die «Zwangseinführung» des Katalysators. Der zweite Knackpunkt: Wer Lust und genug Geld hat, darf auch gemäss dem neuen CO2-Gesetz den Grenzwert überschreiten, er muss dafür nur eine relativ geringe einmalige Strafe zahlen.

Sinnvoll: Ein Importstopp für Spritautos ab 2025

Gegen Offoader hatten die Jungen Grünen bereits 2008 eine Volksinitiative «für menschenfreundlichere Fahrzeuge» lanciert, die im Februar 2008 mit über 123’000 Unterschriften eingereicht wurde. (Damals ging es allerdings unter anderem um einen Grenzwert von 250g/km!) Im Sommer 2011 zogen die grünen Initianten ihre Initiative zugunsten eines indirekten Gegenvorschlags des Bundesrates, dem CO2-Gesetz, zurück.

Weil weder der Bundesrat noch die beiden Vorberatenden Kommissionen bei der Revision des CO2-Gesetzes so richtig ernst machen wollen mit einem wirksamen Klimaschutz, machen die Jungen Grünen jetzt Druck: Sie fordern ab kommendem Jahr ein Importverbot für Autos, die mehr als 95 Gramm CO2 pro Kilometer ausstossen. Erfülle das Parlament diese Forderung im Zuge des neuen CO2-Gesetzes nicht, zitieren die Tamedia-Zeitungen die Jungen Grünen, lanciere man eine neue Offroader-Initiative. Zusätzlich zum Importverbot für CO2-Schleudern ab 2021 soll es ab dem Jahr 2025 ein generelles Importverbot für alle Verbrennungsmotoren geben. Die Autoimporteure hätten also längstens Zeit, ihre Produktpalette neu auszurichten.

SVP-Nationalrat Wobmann sieht wieder einmal seine Freiheit bedroht

Das ist weit mehr als ein «ideologisch komplett verblendetes» Vorhaben, wie der Solothurner SVP-Nationalrat Walter Wobmann in den Tamedia-Zeitungen hechelt und auch gleich die Freiheit der freien Bürger bedroht sieht. Es sei, meint er, «sicher nicht Aufgabe des Staates, den Menschen vorzuschreiben, wie sie sich von A nach B zu bewegen hätten». Dass es mit dem öffentlichen Verkehr, mit Bahn und Bus, Batterie- und Wasserstofffahrzeuge eine durchaus ausreichende Palette an Möglichkeiten geben würde, sich fortzubewegen, ist dem strammen Autolobbyisten glatt entgangen; er giftelt: «Es ist eine Sache, an einer Wahl ein grünes Zetteli einzulegen – aber eine ganz andere, auf das eigene Auto zu verzichten!» Es ist aber, könnte man entgegenhalten, auch nicht Aufgabe des Staates, die psychischen Probleme von Protzern und Posern zu lösen.

Das Vorhaben der Junggrünen könnte aber auch ohne Initiative umgesetzt werden

Allerdings: Auch wenn die Idee der Jungen Grünen durchaus ernst gemeint und ernst zu nehmen ist, so ist sie derzeit doch in erster Linie eine Drohung: Sie zwingt die einzelnen Nationalrätinnen und -räte, Farbe zu bekennen, ob sie bloss für ein «griffiges» oder vielleicht doch eher für ein wirksames CO2-Gesetz sind. Und natürlich reicht es auch nicht, bloss einen Importstopp für Offroader ins Gesetz zu schreiben – der Gesetzesentwurf hätte noch einige weitere Schwachpunkte, die es dringend zu bereinigen gäbe.

Für das durchaus richtige Vorhaben der Jungen Grünen braucht es auch keine Volksinitiative. Ein paar Änderungen in den Paragraphen 10 – 17 des Entwurfs des CO2-Gesetzes würden reichen. Einige wichtige Massnahmen könnte der Bundesrat sogar ganz in eigener Kompetenz beschliessen, etwa in Art. 11, wo es heisst:

1. Er (der Bundesrat) kann beim Übergang zu neuen Zielwerten besondere Bestimmungen vorsehen, die das Erreichen der neuen Zielwerte während einer begrenzten Zeit erleichtern.

2. Er kann bestimmte Fahrzeugkategorien vom Geltungsbereich dieses Abschnitts ausschliessen.

Wenn die Welt brennt (Simonetta Sommaruga), wären mindestens solche Feuerwehreinsätze eigentlich dringend geboten. Man müsste nur wollen, anstatt bloss darüber zu reden. Wobmanns Freiheit steht dabei noch längst nicht zur Debatte. Es sind nicht die Jungen Grünen, die auf eine «Ökodiktatur» hinsteuern, sondern es sind die Wobmanns und Imarks, die Leugner und Bremser, die dafür sorgen, dass irgendwann eine «Ökodiktatur» unvermeidbar wird, um die Menschen vor den grössten Katastrophen zu bewahren. (CR)