Die Swiss-Flotte wartet in Dübendorf auf ihre Rettung. Aber müssen wirklich alle gerettet werden? (Bild: CC BY-SA4.0)

«Auf die Forderung der Grünen, die Swiss-Rettung mit griffigen Klimaschutzzielen zu verbinden, wird nicht eingegangen», schreiben die Tamedia-Zeitungen zum Entscheid des Bundesrates, für die Schweizer Luftfahrt ein milliardenschweres Rettungspaket zu schnüren. Und das, obwohl die Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga (SP) bei jeder Gelegenheit sagt: «Die Welt brennt!» und damit das Klima meint.

Dass die Forderung, der Schweizer Luftfahrt, konkret: der deutschen Lufthansa-Tochter Swiss, keinen Sonderstatus einzuräumen und ihr wie allen anderen Branchen Klimaschutzziele abzuverlangen – dass hinter dieser Forderung nicht bloss die Grünen, sondern auch die Klimastreikbewegung, die SP und rund 40 Umweltgruppen wie WWF, Klimaallianz, Greenpeace, Pro Natura, Schweizerische Energiestiftung, VCS und umverkehR stehen, muss hier ausdrücklich erwähnt werden; es gehört zur Taktik aller Klimabremser und -abwiegler, die Klimaschützer möglichst klein zu reden.

Die Luftverkehrs- und Autobranche weigert sich seit Jahren mit allen Mitteln, die dringend notwendigen Klimaschutz-Massnahmen und -Regulierungen zu akzeptieren, damit das Pariser Klimaziel erreicht werden kann, zum dem sich, wie man immer wieder in Erinnerung rufen muss, die Schweiz verpflichtet hat. Sie seien, insinuieren Flug- und Autobranche, zu wichtig für die Schweiz, für die Welt und überhaupt, um sich mit solchen Petitessen abzugeben. Und wo es ihren mächtigen Lobbyisten nicht gelingt, Massnahmen zu verhindern erkämpfen sie sich Ausnahmen, Hintertürchen und Spezialarrangements. Und wo auch dies nicht reicht, tricksen und schummeln sie, was das Zeug hält.

Die Klimajugend ist entsetzt und frustriert

Obwohl die beiden Branchen in den vergangenen Jahren kräftig verdienten – die Swiss etwa lieferte laut dem zuverlässigen Onlineportal insideparadeplatz.ch in den letzten drei Jahren fast 1,8 Milliarden operativen Gewinn nach Frankfurt an die Zentrale der Lufthansa-Gruppe -, gehörten die Swissmanager und die Autoimporteure zu den ersten, die subito in Bern weibelten und mit einer dreisten Mischung von Bettelei – «wir gehen zugrunde» – und Drohung – «wir reissen 190’000 Arbeitnehmer mit in den Abgrund» – die hohle Hand machten. Und sie stiessen – leider wie zu erwarten war – auf offene Ohren. In «Geheimverhandlungen», wie die Tamedia-Blätter schreiben, also in Hinterzimmer-Deals, mischelten sich die Fluglobbyisten mit Vertretern der Eidgenössischen Finanzverwaltung übers Wochenende schnell mal 1.5 Milliarden. Die Jugendlichen von Klimastreik Schweiz sind, wie sie schreiben, «entsetzt» und «frustriert», dass dieses Rettungspaket mit keinerlei Klimaauflagen verbunden ist, obwohl die Welt doch so brennt. All die Heuchler und Plauderer, die so tun, als nähmen sie die Jugendlichen ernst, haben wieder einmal gezeigt, bei wem sie sich im Ernstfall die Befehle abholen.

Und nicht nur das: Im Hinblick auf die Nationalratsdebatte über das neue CO2-Gesetz im kommenden Juni verlangen die beiden Branchen, ihre Lobbyisten und ihre Handlanger in den Räten, dass selbst die Mini-Mini -Klimamassnahmen für Autos und Flugzeuge sistiert, aufgeschoben oder am besten gleich ganz gekübelt werden.

AutoSchweiz will wieder eine Extrawurst

So schrieb AutoSchweiz, der Branchenverband der Autoimporteure bereits am 1. April dem Bundesrat, der Bund solle bei der Durchsetzung des CO2-Grenzwerts von neuerdings 95 Gramm CO2 pro Kilometer noch ein wenig mehr als vorgesehen nicht bloss ein, sondern beide Augen zudrücken Im Blick meinte Andreas Burgener, der arrogante Direktor von AutoSchweiz: «Die CO2-Zielwerte wären schon in einer normalen Marktsituation nicht erreichbar. So werden sie aber zur völligen Utopie!» Das ist, wie üblich bei Burgener, eine schon fast Trump’sche Falschbehauptung, denn: Würden die Autoverkäufer ihren Kunden nicht weiterhin vor allem übermotorisierte 4×4 und SUV-Dreckschleudern anpreisen, sondern zur Vernunft raten oder – noch besser – gar keine solchen Fahrzeuge mehr importieren, wäre das Problem in Windeseile gelöst. In Wirklichkeit tun sie natürlich genau das Gegenteil.

Auch die Flugticketabgabe, diese wirkungslose symbolische Geste, mit der die FDP demonstrieren will, wie grün sie geworden ist, steht plötzlich wieder zur Debatte. «Eine Gruppe von bürgerlichen Politikern, unter ihnen Ständerat Thierry Burkart (FDP) und die Nationalräte Kurt Flury (FDP) und Thomas Harter (SVP) sowie der designierte Gewerbeverbandspräsident Fabio Regazzi (CVP) fordert, wie die NZZ vom 14. April schreibt , dass die Einführung der Flugticketabgabe auf einen späteren Zeitpunkt verschoben wird. Der Bund spreche, so zitiert ihn die NZZ, einerseits finanzielle Mittel, um die Luftfahrtindustrie zum Fliegen zu bringen, andererseits solle eine neue Abgabe eingeführt werden mit dem Ziel, dass weniger geflogen werde. Dass man Geld ausgeben kann, um eine Fluggesellschaft zu retten, die aber sehr viel kleiner sein soll und ihre Treibhausgasemissionen vollumfänglich kompensieren muss, scheint weit ausserhalb ihres Vorstellungsvermögens zu liegen.

Die Parlamentariergruppe will in der Sommersession den Antrag stellen, dass die Flugticketabgabe erst dann in Kraft tritt, wenn die CO2-Emmissionen des Luftverkehrs in der Schweiz 90 Prozent der Emissionen des Jahres 2019 übersteigen. Dafür kann sich auch die Lufthansa-Tochter Swiss erwärmen. «Vorstösse, die versuchen, den Schweizer Fluggesellschaften durch die mehr als anspruchsvolle Aufbauphase nach der Krise zu helfen, sind mehr als willkommen», sagt laut NZZ die Swiss-Sprecherin Sonja Ptassek. Sämtliche nationalen Abgaben und Gebühren, welche den Fluggesellschaften Mittel entziehen würden, unterminierten aber die Anstrengungen der Airlines und das finanzielle Engagement des Bundes.

Wirtschaft oder Klimaschutz – eine falsche Alternative

Dass es im Grunde in allererster Linie darum geht, dass weniger geflogen wird und dass, wenn weniger geflogen wird, es auch eine sehr viel kleinere Swiss tut, geht bei all dieser wirren Argumentiererei völlig unter. Konstruiert wird zur Abwehr aller Klimabemühungen ein scheinbar unlösbarer Antagonismus «Wirtschaft oder Klima». In Wirklichkeit heisst der Gegensatz natürlich «klimafreundliche Wirtschaft» gegen «klimafeindliche Wirtschaft». Weil die meisten Rettungsversuche und auch die meisten späteren Investitionsentscheidungen langfristige Klimawirkungen haben, ist es nur plausibel, nein, geradezu zwingend, dass man alle Entscheidungen wie das 1.5 Milliarden-Rettungspaket auch auf ihre Folgen für das Klima abtastet. Und dass man nicht rettet und wiederaufbaut, was man in drei, vier Jahren ohnehin wieder abbauen muss, weil man sonst die weltweiten Klimaziele nicht erreicht. Allerdings: Mit Schnellschüssen in irgendwelchen Hinterzimmern lassen sich solche Entscheidungen nicht seriös vorbereiten. Erst recht nicht, wenn der Bund, die Schweiz, ohnehin nicht mitreden kann, wie das Geld verwendet wird, weil alle wesentlichen Entscheidungen in der Lufthansa-Zentrale in Frankfurt gefällt werden. Dass das Geld, wie Simonetta Sommaruga, proklamiert, «in der Schweiz bleiben muss», ist pure Augenwischerei. Jeder Banklehrling weiss, wie man die Spuren des Geldes verwischt. (CR)

Kleiner Nachtrag

Lufthansa: Zahlen und die Schnauze halten

Wie die Süddeutsche Zeitung von heute (29. April) berichtet, ist die Lufthansa, die feine Mutter der Swiss, zwar grosszügig bereit, sich für 9 Milliarden Euro vom deutschen Staat retten zu lassen, weigert sich aber, dem Staat ein Mitspracherecht einzuräumen. Laut der Süddeutschen Zeitung hat Konzernchef Carsten Spohr deutlich gemacht, dass die Lufthansa ohne Staatshilfen nicht überleben könne. Die Verhandlungen auf Staatssekretärsebene haben aber massive Differenzen aufgezeigt. Den Informationen zufolge, so die Zeitung, «will der Bund einen Anteil von mindestens 25 Prozent kaufen, würde zwei Posten im Aufsichtsrat besetzen und hätte so eine sogenannte Sperrminorität.»

Der Lufthansa-Boss Spohr, der offenbar immer noch nicht ganz realisiert hat, wer in diesem Fall der Bittsteller und wer der allfällige Retter ist, will sich aber vom Staat nicht dreinreden lassen, «um nicht in politische Zwänge zu geraten und unternehmerische Entscheidungen politischen Erwägungen unterwerfen zu müssen». Die Lufthansa schlug als Lösung ein sogenanntes Schutzschirmverfahren vor, bei dem sich wie bei einer regulären Insolvenz Altlasten «leichter abstreifen lassen», wie die Süddeutsche schreibt, so unter anderem Pensionsverpflichtungen gegenüber den Angestellten und Tarifverträge. Tickets, die vor dem Antrag gekauft worden sind, würden ihre Gültigkeit verlieren. Passagiere würden voraussichtlich kein Geld zurückbekommen.

Ob solche kleinlichen Detailfragen in den Berner Hinterzimmern auch zur Sprache gekommen sind? Oder ob man sich von der Arroganz der deutschen Flugbosse so hat beeindrucken lassen, dass man zuletzt froh war, den Herren die 1.5 Milliarden rüberschieben zu dürfen? Man wüsste es gern …

Und noch etwas:

Hier kann man etwas unterschreiben, von dem man zwar nicht ganz genau weiss, was es eigentlich ist, ob ein Brief an den Bundesrat, eine Petition oder bloss eine Unterschriftensammlung für ein allfälliges Referendum, das die Grünen vielleicht starten wollen. Schaden kann die Unterschrift auf jeden Fall nicht, obwohl es einem lieber wäre, die Grünen würden mit der gleichen Vehemenz und Entschlossenheit dafür kämpfen, dass der missratene Entwurf des neuen CO2-Gesetzes jetzt (und nicht irgendwann in ein paar Jahren) so verschärft wird, dass man in Bezug auf das Pariser Klimaabkommen auf Kurs kommt. (CR)