Mit Crazy Deals werben die Autoimporteure für viel CO2 und wenig Klimaschutz. Oder haben wir etwas falsch verstanden?

«Der Bundesrat knöpft sich die Autotrickser vor», meldete der Tages-Anzeiger am Montag. Mit einer neuen Verordnung will die Regierung gegen zwei faule Trick der Autoimporteure vorgehen. Allerdings gibt es noch weitere Schlupflöcher, die ebenfalls dringend gestopft werden müssten.

Ende März deckte Stefan Häne in einigen Tamedia-Blättern auf, wie Autoimporteure die CO2-Grenzwerte für Neuwagen aushebeln: Zum einen, indem sie Elektroautos importieren, sie ohne einen wirklichen Käufer in Verkehr setzen und nach kurzer Zeit ins Ausland verkaufen. Mit diesem Trick senken sie den sogenannten Flottendurchschnitt, den Durchschnittswert der CO2-Emissionen all ihrer Neuwagen-Importe, der für die Berechnung der Busszahlungen relevant ist. Künftig müssen die Importeure einen «echten Endkunden» vorweisen können – was dieser dann mit seinem Elektrofahrzeug macht, wird sich allerdings kaum kontrollieren lassen – das nächste Schlupfloch steht also schon parat.

Zum zweiten, indem sie kurzzeitig die Rückbank und Gurte von schweren SUV ausbauen und sie als «leichtes Nutzfahrzeug» anmelden. Danach bauen sie Rückbank und Gurte wieder ein, melden die Wagen, die jetzt schon nicht mehr als Neuwagen gelten – als normalen Personenwagen ein zweites Mal an. Der Trick dabei: Bis Ende 2019 gab es für neue «leichte Nutzfahrzeuge» gar keinen CO2-Grenzwert, derzeit liegt er bei 147 Gramm pro Kilometer. Da es für gebrauchte Fahrzeuge keinen Grenzwert gibt, können die Importeure den Grenzwert von 95 Gramm pro Kilometer straffrei um über die Hälfte überschreiten. Künftig aber können sich Importeure diese Fahrzeuge nur noch anrechnen lassen, wenn sie gemäss ihrer ersten Zulassung auch weiterhin als leichtes Nutzfahrzeug genutzt werden.

Um wie viele Fälle resp. wie viele Importeure es sich bei diesen Tricksereien handelt, wollte das Bundesamt für Energie (BfE) dem Tages-Anzeiger nicht sagen, aber wer die riesigen Zeitungs-, TV- und Plakatkampagnen verfolgt, mit denen die Autoverkäufer ihren Kunden mit allen Mitteln schwere SUV und 4×4-Wagen andrehen wollen, kann vermuten, dass es sich dabei nicht um einige wenige schwarze Schafe handelt. Umsomehr, als dass beide Tricks zwar nach Ansicht des BfE «klar rechtsmissbräuchlich», aber nicht illegal sind.

Jetzt will der Bundesrat diese Gesetzeslücke mit einer Verordnung schliessen. Das ist zwar reichlich spät, denn Mitarbeiter des BfE haben schon im Oktober 2019, also vor über einem halben Jahr, departementsintern auf diese Missstände hingewiesen.

Es gibt noch noch weitere Schlupflöcher

Immerhin. Noch besser wäre allerdings, wenn der Bundesrat jetzt gleich einige weitere Ausnahmeregelungen streichen würde. So etwa

  • die «Spezialziele für Marken von Klein- und Nischenherstellern». Diese Verordnung sorgt dafür, dass eine ganz Reihe von Automarken vom strengen Emissionsziel von 95 g CO2/km befreit werden, darunter Luxusmarken wie Jaguar, LandRover, Aston Martin, Ferrari, McLaren Maserati, Bentley, Lamborghini, Lotus, Noble, Cadillac Chevrolet oder Buick. Für sie gelten individuelle Emissionsziele zwischen 160 und 338 g CO2/km.
  • den Trick mit dem Leergewicht. Der Emissions-Grenzwert von 95 g CO2/km für Neuwagen ist eine relative Grösse. Schwerere Wagen dürfen nach einer eher undurchsichtigen Formel mehr CO2 ausstossen als leichtere Wagen.

Für beide Regelungen gibt es keine nachvollziehbare Begründung. Es gibt keinen Grund, warum Autokäufer, die unbedingt ein übermotorisiertes und zu schweres Luxusfahrzeug haben müssen, dafür noch bevorteilt werden gegenüber verantwortungsbewussteren Autokäufern, die sich beim Autokauf an die bestehenden Regeln halten. Autokäufer, die sich über die geltenden Regeln hinwegsetzen, sollten mindestens für die Umweltkosten, die sie verursachen, genau so bezahlen müssen wie andere Autokäufer.

Und noch zwei autofreundliche Geschenke

Zugleich könnte der Bundesrat gleich noch weitere fragwürdige Geschenke an die Autoimporteure streichen, so

  • die sogenannten «Supercredits«. Aus unerfindlichen Gründen werden die Autoimporteure speziell belohnt, wenn sie ein Elektroauto verkaufen: Ein Elektroauto wird bei der Berechnung der Durchschnittsemissionen der ganzen «Flotte» in diesem Jahr gleich doppelt angerechnet, im kommenden Jahr immerhin noch 1.67 Mal. Zusammen mit dem oben erwähnten Trick bewirken diese Supercredits genau das Gegenteil von dem, was sie bewirken sollten: Die CO2-Emissionen sinken oder stagnieren bloss auf dem Papier, während sie in Wirklichkeit weiter ansteigen.
  • das sogenannte «Phasing-In». Der hochtrabende Begriff, den man banaler auch Übergangszeit nennen könnte, ist ein weiteres Geschenk an die Autoimporteure. In diesem Jahr werden die obersten 15 Prozent jener Neuwagen, die am meisten CO2 ausstossen, einfach nicht mitgezählt, im kommenden Jahr sind es immerhin noch die obersten 10 Prozent. Ein Dummkopf von Importeur, der diese Chance nicht nutzt. Nicht zufällig schlagen die Importeure kräftig die Werbetrommel, um dieses geschenkte Kontingent mit den schlimmsten CO2-Schleudern ausreizen, denn diese Wagen garantieren die höchsten Margen. Dass Übergangsphasen eigentlich nur dann gerechtfertigt wären, wenn es gilt, bestehende Lagerbestände abzubauen oder den Herstellern Zeit zu verschaffen, um neue Produkte zu entwickeln, trifft auf den Autoimport in keiner Weise zu: CO2-sparsame Fahrzeuge sind in allen Formen, Grössen und Farben längst in ausreichender Zahl vorhanden. Und kein Händler hat Fahrzeuge auf Lager, die über wenige Wochen hinausreichen.

Solange Worten reichen, ist AutoSchweiz immer für den Klimaschutz

Noch bis am 25. August läuft die Vernehmlassung für diesen zaghaften Ordnungsruf an die Adresse der Autoimporteure. Da es sich bloss um die Revision einer Verordnung handelt, kann der Bundesrat sie später ohne Mitwirkung des Parlaments in Kraft setzen. Auto Schweiz, der Branchenverband der Autoimporteure hat sich, so zitiert Häne einen Sprecher, noch keine abschliessende Meinung gebildet. Sein vorsorgliches Wehklagen, die ganze Branche stehe hier zu Unrecht am Pranger, zeugt allerdings nicht von allzu grosser Ein- und Weitsicht. Denn dass diese Praktiken, welche die Verordnung nun abstellen will, arge Schummeleien sind, wird vermutlich nicht einmal der Auto Schweiz-Chef Andreas Burgener wegdiskutieren können. Ebenso, dass sich eine Ablehnung der Verordnung nur schlecht verträgt mit den vollmundigen Beteuerungen, die Autolobby stehe ganz und gar zu ihrer Verantwortung für den Klimaschutz. Und schliesslich: Die Autoimporteure müssten eigentlich froh sein, dass diese Verordnung so zahm und autofreundlich ausgefallen ist. (CR)

PS. Zahlreiche weitere Informationen und (inzwischen zum Teil nicht mehr brandaktuelle) News findet man bei klimanews unter dem Schlagwort «Autoimporte».