Trotz Corona- und Wirtschaftskrise – der Zürcher Kantonsrat will auch in Sachen Klima zügig vorwärtsmachen. Zwar hat er, etwas entgegen dem Eigenlob der Grünen und der SP, noch keine Nägel mit Köpfen gemacht, sondern bloss eine Reihe von Motionen und Postulaten an den Regierungsrat überwiesen. Sie zeigen aber, dass die «Klimaallianz» von SP, Grünen, Grünliberalen, der Alternativen Liste und der EVP entschlossen ist, trotz bürgerlicher Obstruktion eine grüne Klimapolitik in Gang zu bringen.
In einer langen ganztägigen «Sondersitzung» hat der Zürcher Kantonsrat am Montag neun unterschiedliche und unterschiedlich gewichtige klimapolitische Vorstösse überwiesen: weitere Postulate und Motionen können erst nach der Sommerpause behandelt werden, da die SVP-Parlamentarierinnen und Parlamentarier mit kindischem Trötzeln ihr selektives Demokratieverständnis demonstrierten. Auch die FDP manifestierte ihre klimapolitische Kompetenz mit Weisheiten wie «Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht», und anderen Ausreden: Sie signalisierte Kompromissbereitschaft und stimmte zuletzt dann doch fast immer mit den Totalverweigerern der SVP. Man wird sich daran erinnern, wenn Petra Gössi wieder einmal die grüne Seele ihrer Partei besingt.
Die Klimaallianz setzte sich überall durch
Überwiesen hat der Kantonsrat folgende Vorstösse:
- eine Motion, die den «besseren Schutz vor den Auswirkungen des Klimawandels auch mittels Raumplanung» fordert.
- eine Motion, die verlangt, dass alle Gesetze künftig auf ihre Auswirkungen auf das Klima überprüft werden
- eine dritte Motion zur Förderung von grossen Solaranlagen durch den Kanton. «Keine andere Energieform ist so schnell so günstig geworden», meinte der Bülacher Grüne David Galeuchet.
- eine vierte Motion, die verlangt, dass der Regierungsrat einen Masterplan Dekarbonisierung ausarbeitet, in dem «konkret aufgezeigt wird, wie und bis wann er den Aussteig aus den fossilen Energien schaffen will». Für den SVP-Kantonsrat Ueli Bamert, war dieser Vorstoss völlig überflüssig, da alle Firmen bereits Massnahmen zur Senkung des CO2-Ausstosses umsetzten. An die Autoimporteure und die Finanzbranche, die in aller Welt klimaschädliche Projekte finanziert, hat er dabei wohl nicht gedacht; Bamert ist Leiter Politik des Branchenverbandes Avenergy Suisse, der die Interessen der Importeure flüssiger Brenn- und Treibstoffe vertritt.
- eine Parlamentarische Initiative zur Änderung des geltenden Energiegesetzes. Statt wie bisher bis 2050 auf 2,2 Tonnen pro Person und Jahr sollen die Emissionen neu bis 2030 auf zwei Tonnen reduziert werden und 2050 Netto Null erreichen. Mit der Initiative soll also das Pariser Klimaziel ins Energiegesetz geschrieben werden. Der Üetiker FDP-Kantonsrat Christian Schumann fordert statt dessen, was alle bürgerlichen Politiker immer fordern, wenn sie nicht weiter wissen: «griffige Massnahmen».
- eine fünfte Motion, nach der neue Gewächshäuser ab sofort «ausschliesslich mit erneuerbarer Energien und Abwärme beheizt werden sollen.
- eine sechste Motion (aus den Reihen der FDP), die eine «befristete Förderung der Infrastruktur für eine CO2-arme Mobilität» fordert. Alex Ganter dachte da unter anderem an Ladestationen für Elektroautos. Der cholerische SVP-Kantonsrat und Wirtschaftsdetektiv Hans-Peter Amrein, vom Tages-Anzeiger einst als «schrägster Vogel» im Kantonsrat apostrophiert, glaubt, dass «Elektromotoren heute umweltschädlicher sind als fossile». Das widerlegt zwar eine sehr gründliche Studie von Anthony Patt, einem renommierten Umweltwissenschafter der ETH Zürich, aber natürlich: Was wissen denn Umweltwissenschafter schon von der Umwelt? Noch radikaler lehnte allerdings die Grüne Gabi Petri die Motion ab. «Es gibt keine ökologischen Autos*, begründete sie laut Tages-Anzeiger ihre ablehnende Haltung, «Autos sind nie umweltfreundlich.» Warum aber einfach so alle Autos von Zürichs Strassen verschwinden, wenn es keine Ladestationen gibt, bleibt irgendwie ein bisschen schleierhaft.
- schliesslich eine siebte Motion, die möchte, dass Kommunen in ihren Nutzungsplänen die naturnahe Bepflanzung und Begrünung von Gebäuden zur Pflicht erklären können.
Ganz und gar nichts anfangen konnte mit all diesen komplizierten Dingen der EDU-Kantonsrat und Landwirt Hans Egli: es sei nicht klar, zitiert ihn der Tages-Anzeiger, wie sich das alles entwickle; auch auf dem Mars und selbst dem Pluto ändere sich das Klima. Gern hätten wir zudem erfahren, wie sich denn das Klima in Eglis Wahlheimat hinter dem Mond verändert habe; aber da hatte Ratspräsident Roman Schmid dem Votanten schon das Wort entzogen.
«Wir müssen der Klimapolitik Schub verleihen»
So wichtig es ist, dass diese klimapolitischen Motionen, von denen die meisten bereits vor zwei Jahren eingereicht wurden und vom ehemaligen Baudirektor Markus Käfig (SVP) offensichtlich mit Bedacht vertrödelt worden sind, – so wichtig es ist, dass diese Vorstösse nun endlich im Kantonsrat behandelt wurden, so wenig ist diese «Sondersession» der grandiose Startschuss für so etwas wie eine Zürcher Klimarevolution. Den wirklich entscheidenden Schritt hat nämlich der neue grüne Zürcher Baudirektor Martin Neukom schon längst eingeleitet; er hat in seinem ersten Amtsjahr mit grossem Einsatz und politischem Geschick die Blockadepolitik des SVP-Betonkopfs Markus Kägi entsorgt und einen klaren Kurswechsel initiiert. So konnte er denn bei mehreren Motionen vermelden, dass die geforderten Arbeiten bereits im Gang seien.
Überdies ist Klimapolitik zum grössten Teil Sache des Bundes und wird in entsprechenden Bundesgesetzen und in Verordnungen des Bundes geregelt; der Spielraum der Kantone ist entsprechend klein, er beschränkt sich weitgehend auf die Bau- und Planungsgesetze oder auf kantonale Fördermassnahmen.
Trotzdem: Obwohl einige Motionen eher symbolpolitisch zu verstehen sind und eher den Anfang als schon eine tatsächliche Klimawende markieren, hat Thomas Forrer, der grüne Fraktionspräsident, dennoch recht, wenn er die Debatte auf Facebook zu einer entscheidenden Weichenstellung erklärt: «Es muss schnell gehen. Wir müssen der Klimapolitik Schub verleihen, und heute ist der Tag dafür.» Es geht darum, der Öffentlichkeit zu signalisieren, dass der wirtschaftsstärkste Kanton der Schweiz gewillt ist, vorwärts zu machen und vom Schlafwagen in die Lokomotive umzusteigen. (CR