Wir wissen es selbstverständlich schon lange: Die Menschheit lebt weit über ihre Verhältnisse. Daran erinnert uns jedes Jahr der sogenannte «Erdüberlastungstag». Wegen der Corona-Krise kommt er dieses Jahr drei Wochen später als in den letzten Jahren. Das ist allerdings noch längst kein Grund zur Freude, denn fast alle Regierungen der Welt geben sich alle erdenkliche Mühe, damit es der Welt ökologisch bald wieder schlechter geht..
Der «Earth Overshoot Day» – oder eben Erdüberlastungstag – bezeichnet jenen Tag des Jahres, an dem die Menschheit die natürlichen Ressourcen aufgebraucht hat, welche die Ökosysteme der Erde in einem Jahr regenerieren können. Er ist so ein wichtiger Indikator für die Nachhaltigkeit im Umgang mit den erneuerbaren Ressourcen.
Seit den 1970er Jahren wird diese Situation immer prekärer. Daran hat auch die derzeitige Wirtschaftskrise kaum etwas wesentliches verändert: Wir leben immer noch 130 Tage im Jahr von erneuerbaren Ressourcen, die wir rechnerisch eigentlich gar nicht mehr haben. Und kaum wird wieder mehr produziert und konsumiert werden, wird der Erdüberlastungstag wie in den vergangenen Jahren wieder einige Wochen früher stattfinden.
Wenn die Weltbevölkerung so leben wollte wie die Schweiz, bräuchte sie drei Erden
Das gilt in verschärftem Mass auch für die Schweiz. Selbst wenn die Zehntausenden von Klimaexperten der SVP und FDP an ihren Stammtischen und Medien bei jeder Gelegenheit darauf hinweisen, dass der Einfluss der Schweiz auf den Klimawandel ja verschwindend klein sei, müssten sie doch immerhin zur Kenntnis nehmen, dass der Anteil der erneuerbaren Ressourcen, welcher der Schweiz rechnerisch zusteht, in den vergangenen zwei Jahren jeweils bereits am 7. Mai aufgebraucht war, die Schweiz also fast zwei Drittel des Jahres gar keine Nahrungsmittel, kein Holz, keine pflanzlichen Textilien und andere erneuerbare Produkte mehr verbrauchen dürfte.
Umgerechnet auf den sogenannten ökologischen Fußabdruck, der aufzeigt, wieviel Erden es brauchen würde, um die tatsächlich verbrauchten Ressourcen zur Verfügung zu stellen, kam die Schweiz in den letzten Jahren auf unrühmliche drei Erden, die USA gar auf fünf Erden. (Drei oder fünf Erden bräuchte es also, wenn die ganze Weltbevölkerung auf so grossem Fuss erneuerbare Ressourcen verbrauchen wollte wie die Schweiz oder die USA.) Der Weltdurchschnitt liegt bei 1,6 Erden.
Die NZZ hält dagegen
Das hört man freilich nicht gern und entsprechend klein und marginal platziert sind denn auch die entsprechenden Meldungen in den Schweizer Medien ausgefallen. Einen originellen Beitrag leistete sich dagegen die NZZ: Sie veröffentlichte einen fast seitenlangen, als Buchbesprechung getarnten Werbetext für zwei notorischen Klimademagogen, den dänischen Politikwissenschafter und Statistiker Björn Lomborg und den amerikanischen Kulturanthropologen Michael Shellenberger. Autor des Werbetextes ist der ehemalige Weltwoche-Redaktor Markus Schär, während Jahren für den rechten Trinktank Avenirsuissse Texte schrieb und zum weiteren Umkreis der Autoren des deutschen Klimaleugner-Netzwerks Eike gehört..
Shellenberger hat sich vor allem einen Namen als begeisterter Verteidiger der Atomkraft gemacht. In Medien wie Forbes, Breitbart oder dem Wall Street Journal ist Shellenberger einigermassen, in der wissenschaftlichen Diskussion findet er kaum Beachtung. Auch Lomborg, der seit über zwanzig Jahren versucht, die Auswirkung des Klimawandels herunterzuspielen, hat einige populärwissenschaftlichen Bücher geschrieben, welche zum Teil sehr hohe Auflagen erreichten, in Fachkreisen ist er dagegen sehr umstritten. Klimawissenschafter, im Gegensatz zu Lobborg also Leute vom Fach, kritisierten etwa in der Fachzeitschrift «Nature», seine Texte seien «eine Masse aus schlecht verdautem Material, schwer fehlerhaft in ihrer Auswahl an Beispielen und Analysen». (…) Wie viele schlechte Arbeiten basiere (sein letztes Buch) zu einem großen Teil auf Sekundärliteratur, von denen 30 % aus dem Internet heruntergeladen seien.» Nachdem seine früheren Thesen, «Analysen» und Prognosen fast durchweg an der Wirklichkeit und den Fakten scheiterten, sich der menschengemachte Klimawandel nicht mehr bestreiten und auch nicht so richtig verharmlosen lässt, behaupten er und Shellenberger laut Markus Schär in ihren neuesten Büchern jetzt, der Klimawandel sei längst nicht das grösste Problem der Menschheit». Der Kampf dagegen sei reine Geldverschwendung. Die Klimaforschung werde in der Weltöffentlichkeit apokalyptisch verzerrt. Der Grund, so Schär: Akademiker buhlen um Fördergelder, Politiker preisen sich als Retter, Aktivisten kämpfen um Spenden, und Journalisten jagen den Klicks hinterher – kurz, Alarmismus verspricht Status und Profit.» Kurz: Das alte Lied der Klimaverschwörungstheoretiker. Es langweilt.
Fast müsste man hoffen, dass der nächste Erdüberlastungstag im kommenden Jahr auf den 1. April falle. Dann liessen sich solche NZZ-Artikel wenigstens als schlecht gelungener 1. April-Scherz kübeln. (CR)