«Elektro überholt Diesel.», «Stromauto wird Normalfall»,  «Mehr als jeder dritte neue Personenwagen verfügt über einen Hybrid-, Elektro-, Gas- oder Brennstoffzellenantrieb»– alle zwei, drei Wochen  überraschen uns  die Autolobby und die ihr freundschaftlich verbundenen Medien mit solchen Erfolgsmeldungen. Fast könnte man meinen, im Strassenverkehr stehe das Ende des fossilen Zeitalters unmittelbar bevor. Was ist von solchen Meldungen zu halten?  

«Elektrofahrzeuge sind schon länger im Vormarsch», meldete Philipp Felber-Eisele am 11. November im Tages-Anzeiger, «jetzt erreicht der Boom eine neue Dimension. Hybrid- und E-Autos sind nun beliebter als reine Diesel.» Einen Monat zuvor, am 2. Oktober hatte Herbie Schmitt, der «Mobilitätsredaktor» der NZZ, behauptet: «Der Schweizer Markt wächst rasant»; bis Ende August hätten Elektroautos und Hybride einen Marktanteil von 15,7 Prozent erreicht, im Vorjahr habe der Marktanteil erst 4,2 Prozent betragen.

Und am 2. Dezember schliesslich verkündete AutoSchweiz, der Lobbyverband der Autoimporteure, in einer Pressemitteilung eine weitere frohe Botschaft: «Mit 35,5 Prozent verfügte im November mehr als jeder dritte neue Personenwagen über einen Hybrid-, Elektro-, Gas- oder Brennstoffzellenantrieb. Seit Jahresbeginn liegt deren Marktanteil bei 26,1 Prozent, wovon 12,7 Prozent auf die «Steckerfahrzeuge, also reinelektrische Modelle oder Plug-in-Hybride, entfällt.»

Was ist von diesem verwirrlichen Zahlensalat zu halten? Am besten fährt man mit dem berühmten Churchill-Zitat: «Ich glaube nur der Statistik, die ich selbst gefälscht habe.»

Schummeln durch Verschweigen

Schaut man die optimistischen Zahlen der Verlautbarungen etwas genauer an, zeigt sich schnell, dass Autolobby und Medien tricksen, ohne eigentlich richtig zu lügen: Sie tun – indem sie Wesentliches praktisch lautlos unter den Tisch fallen lassen – so, als handle es sich bei all diesen Zahlen um Marktanteile vom Gesamtbestand der Personenwagen. In Wirklichkeit aber geht es bloss um Verschiebungen innerhalb des weniger als 10prozentigen Segments der Neuzulassungen.

In einer provisorischen Schätzung für das Jahr 2020 – provisorisch, weil das «Autojahr» für Bundesamt für Statistik (BfS) jeweils von September zu September dauert – kommt das BfS auf folgende ernüchternde Zahlen zum aktuellen Gesamtbestand aller Personenwagen in der Schweiz:

  • Benzin: 3’087’390 Fahrzeuge (= 66.277 Prozent des Gesamtbestandes)
  • Diesel: 1’379`077 Fahrzeuge (= 29.6 Prozent)
  • Hybrid: 133’708 Fahrzeuge (= 2.8 Prozent)
  • Elektromobile: 43’396 (= 0.932 Prozent)

Also: Trotz anderslautender Gerüchte machen Benzin- und Dieselfahrzeuge immer noch rund 96 Prozent aller Personenfahrzeuge auf den Schweizer Strassen aus. Selbst wenn sich der Anteil der Fahrzeuge mit «alternativen Antrieben» (Hybrid, Elektro, Gas und Wasserstoff) in nächster Zeit verdoppelt oder gar verdreifacht, bliebe der Anteil mit rund 10 Prozent immer noch weitaus kleiner als die Schlagzeilen suggerieren.

Das heisst: Bei einem tatsächlichen Durchschnitt von heute 129g CO2 pro Kilometer und einer durchschnittlichen «Lebensdauer» von rund 7 Jahren oder 150’00 Kilometern stösst jedes in diesem Jahr neu zugelassene Benzin- oder Dieselfahrzeug in den kommenden Jahren rund 20 Tonnen CO2 aus. Schon allein die rund 150’000 in diesem Jahr neu zugelassenen Benzin- und Dieselfahrzeuge belasten die Luft also in den kommenden Jahren mit über 3 Millionen Tonnen CO2. Dabei ist noch nicht einmal miteingerechnet, dass ein grosser Teil dieser Fahrzeuge nach ihrer «normalen Lebensdauer» als Occasionen im Inland oder ins Ausland weiterverkauft wird und noch etliche weitere Jahre die Luft mit diesen hohen CO2-Emissionen belastet.

Wie der Bundesrat unter diesen Umständen die Reduktionsziele für 2030 und 2050 erreichen will, bleibt vorläufig ein streng gehütetes Geheimnis.

Viele Hybride sind klimaschädlicher als Benzin- und Dieselautos

Denn: Massiv getrickst wird offenbar auch bei der Ermittlung der CO2-Emissionen der von den Importeuren derzeit heftig gepushten Hybridfahrzeuge, also jener Personenwagen, die sowohl über einen Elektro- wie über einen Benzin- oder Dieselmotor verfügen. Diese Zahlen sind auch deshalb wichtig, weil sie für die Strafzahlungen der Autoimporteure mitentscheidend sind: Ab diesem Jahr dürfen die Emissionen im sogenannten Flottendurchschnitt, dem Durchschnitt aller neu verkauften Personenwagen eines Importeurs theoretisch nicht mehr als 95 g pro Kilometer betragen; darüber hinaus werden Strafzahlungen fällig. Die Importeure rechnen mit einem dreistelligen Millionenbetrag. Das erklärt, warum die Autolobby momentan grosses Interesse hat, möglichst viele Hybride zu verkaufen: Hybride drücken die Emissionen des Flottendurchschnitts..

Weil die Emissionen der diversen Hybridmodelle weitgehend vom individuellen Fahrverhalten abhängig sind, je nachdem, ob der Fahrer die Kapazität des Elektromotors voll ausnützt oder diesen bloss gelegentlich für Kurzstrecken einsetzt und in der restlichen Zeit die schweren Batterien bloss Spazieren fährt, geben die Hersteller für die meisten Hybridfahrzeuge einen mehr oder minder fiktiven Wert von 50 g/km oder weniger an.

Wie man CO2 auf dem Papier zum Verschwinden bringt

Nun zeigt sich aber, dass die tatsächlichen CO2-Werte weit über diesen Angaben der Hersteller liegen. Transport & Environment (T&E), der Dachverband der europäischen Umwelt-Organisationen, hat drei beliebte Plug-In-Hybride im Realbetrieb unter verschiedenen Testbedingungen untersuchen lassen. Das Ergebnis der Studie ist verheerend. Selbst im optimalsten Fall (volle Batterie, effizienteste Fahrweise) lagen die CO2-Werte meist um 28 bis 89 Prozent über den offiziellen Werten. Im Verbrennermodus stiegen sie gar auf das Drei- bis Achtfache; beim getesteten BMW X5 etwa auf 254 g/km, im Stadtverkehr sogar auf 470 Gramm.

Damit übertreffen sie, schreibt Joachim Wille vom Online-Portal Klimareporter, sogar noch die Ergebnisse einer Studie des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) in Karlsruhe. In Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut International Council on Clean Transportation (ICCT) hatten die Forscher die Emissions- und Verbrauchswerte von 100’000 Fahrzeugen in Europa, Nordamerika und China ausgewertet. Gemäss der Fraunhofer-Studie verbrauchten die untersuchten Fahrzeuge im Durchschnitt doppelt so viel Benzin oder Diesel und stiessen entsprechend doppelt so viel CO2 aus, wie die Autokonzerne in offiziellen Prüfzyklen angeben.

Der Trick mit dem Phasing-In

Aus Angst vor der mächtigen Autolobby hat der Bundesrat aber noch einige weitere Tricks auf Lager, um die Autoimporteure zu «entlasten», so etwa das sogenannte Phasing-In: Bis Ende dieses Jahres werden die obersten 15 Prozent jener Neuwagen mit den höchsten CO2-Emissionen einfach nicht mitgezählt, im kommenden Jahr sollen es immerhin noch die obersten 10 Prozent sein. Das entbehrt zwar jeder ökologischen Logik, denn warum sollen ausgerechnet die verantwortungslosesten Käufer der schlimmsten Dreckschleudern belohnt werden?

Zudem widerspricht diese Regelung sowohl den Versprechungen des Bundesrates im Abstimmungskampf um das Energiegesetz 2017 wie dem Willen des Parlaments bei der Diskussion um das CO2-Gesetz im vergangenen Sommer, das Phasing-In «nicht später als in der EU zu beenden». Die EU aber macht Ende dieses Jahres Schluss mit dem Phasing-In. Die Schweizer Spezial-Regelung sorgt laut Berechnungen des Bundes für ein zusätzliches Plus von rund 220’000 Tonnen CO2 pro Jahr, schrieb der Tages-Anzeiger am 7. Oktober.

Privilegien für die Dreckschleudern

Da wirkt das Zusatzgeschenk des Bundes an die Autoimporteure, für einige Luxusmarken wie Jaguar, LandRover, Aston Martin, Ferrari, McLaren, Maserati, Bentley oder Lamborghini spezielle (natürlich höhere) Emissionsziele festzulegen, wie eine Bagatelle. Ebenso, dass das Leergewicht der Fahrzeuge bei der Berechnung des Emissionsgrenzwerts mitberücksichtigen wird. Dieser sogenannte «gewichtete Grenzwert» sorgt dafür, dass für überschwere Limousinen höhere CO2-Grenzwerte gelten als für leichtere Autos.

Trotz all dieser trickreichen Privilegien forderte der Solothurner SVP-Nationalrat Walter Obmann in einer Motion vom 18. Juni, dass angesichts des massiven Umsatzeinbruchs der Autobranche alle fälligen Strafzahlungen für das Überschreiten der Emissionsgrenzwerte in diesem und dem nächste Jahr ausgesetzt werden.

Fazit: Wie man es auch dreht und wendet – mit blossen Rechenkunststücken auf dem Papier lässt sich die Klimabilanz des Strassenverkehrs nicht verbessern. Es bringt nichts, immer neue Ziele zu proklamieren und zugleich mit allen möglichen Tricks, Schlupflöchern und Schummeleien dafür zu sorgen, dass diese Ziele nicht erreicht werden. Ohne Transparenz und harte Massnahmen, die den Strassenverkehr – Elektro hin oder her – dauerhaft massiv reduzieren, lassen sich die Ziele des Pariser Klimaabkommens und die nationalen Reduktionsziele nicht erreichen. (CR)