Vor einigen Tagen hat sich der Zürcher Kantonsrat in zweiter Lesung auf ein Energiegesetz geeinigt, das trotz einiger Kompromisse Nägel mit Köpfen macht. Die Schlussabstimmung, nun bloss noch eine Formsache, findet am 14. April statt. Der Zürcher Hauseigentümerverband hat aber ein Referendum angekündigt.

Der Kompromiss im 180köpfigen Kantonsrat, in dem die rot-grüne Klima-Allianz und die bürgerlichen Parteien praktisch gleich viele Stimmen auf  die Waage bringen, kam vor allem deshalb zustande, weil die überwiegende Mehrheit der Parlamentarierinnen und Parlamentarier nach stundenlangen harten Diskussionen schliesslich doch bereit war, konstruktiv zusammenzuarbeiten und Lösungen zu finden, die trotz Abstrichen für beide Seiten akzeptabel sind.

Das ist unter anderem auch ein Verdienst der Fraktionsvorsitzenden und des neugewählten grünen Baudirektors Martin Neukom, dessen Vorstellungen nicht bloss für grüne Sonntagsreden taugen, der aber auch bereit ist, notwendige Kompromisse einzugehen, solange sie nicht das Kernanliegen verwässern. Zuletzt lehnte nur die SVP-Fraktion den ausgehandelten Klimadeal ab, und der Hauseigentümerverband droht erwartungsgemäss ein Referendum an. Allzu heftig fürchten muss man sich vor dieser Drohung allerdings kaum.

Was beim CO2-Gesetz schief gelaufen ist

Natürlich drängt sich hier eine kleine Zwischenbemerkung auf, ein Vergleich mit der Debatte der eidgenössischen Räte um das CO2-Gesetz: Während sich die Umweltministerin und die rot-grünen Parteien im Bundesbern oft vorschnell dem Druck der Wirtschaftslobbyisten und der SVP beugten, ja sich zuweilen schon duckten, bevor die Gegner bellten, und die sich schliesslich mit wirkungslosen Mini-Reförmchen zufrieden gaben, zeigte die Zürcher Klimaallianz klare Kante: Sie liess sich im Gegensatz zu Rot-Grün in Bern  nicht gross auf Diskussionen über Sinn und Notwendigkeit dieser oder jener Massnahme ein, sondern zeigte sich allenfalls kompromissbereit in Bezug auf Tempo, Termine und Details.

Dabei beschränkte sich der Zürcher Kantonsrat im Gegensatz etwa zum Stadtzürcher Gemeinderat auf jene Bereiche des Klimaschutzes, über die er in eigener Kompetenz auch wirklich entscheiden kann; er verzichtet also auf Luftnummern, auf grosse Worte dort, wo letztlich andere Instanzen das Sagen haben. 

In der Hauptsache geht es beim revidierten Energiegesetz also um ein Gebäudeprogramm, einen in der Öffentlichkeit nicht besonders spektakulären, aber wichtigen Bereich einer wirkungsvollen Klimapolitik. Denn:  Etwa 40 Prozent des Energieverbrauchs im Kanton Zürich werden für Wärme benötigt, für das Beheizen der Gebäude und die Aufbereitung von Warmwasser. Da dies heute vor allem mit Heizöl und Erdgas geschieht, macht dies auch rund 40 Prozent der CO2-Emissionen aus.

Die wichtigsten Massnahmen: Klar, konkret und wirkungsvoll

Die heute rund 120’000 Öl- und Gasheizungen im Kanton Zürich sollen also bis 2040 möglichst weitgehend durch alternative Heizungen, vor allem Wärmepumpen ersetzt werden. Dabei setzt das Gesetz zu Recht nicht auf Freiwilligkeit und Eigenverantwortung, die beiden hohlen Versprechen der Hausbesitzer und Liberalen, sondern auf klare Vorschriften und Verbote: 

  • Bei Neubauten sind Öl- und Gasheizungen grundsätzlich verboten.
  • Bestehende Ölheizungen müssen nach Ablauf ihrer Lebensdauer von 20 Jahren zwingend durch Systeme mit erneuerbaren Energieträgern ersetzt werden, wenn die neuen Systeme über die ganze Nutzungsdauer nicht mehr als 5 Prozent teurer sind als die entsprechenden fossilen Heizungen.
  • Der Einbau neuer Gasheizungen ist nur erlaubt, wenn mindestens 80 Prozent des Gases aus (erneuerbarem) Biogas besteht; kann der Gasanbieter dies nicht gewährleisten, muss die Differenz zu den 80 Prozent mit Zertifikaten «bezahlt» werden. 
  • Die Energie zum Betreiben der alternativen Heizungen, also etwa von Wärmepumpen, muss möglichst vor Ort, also etwa durch Fotovoltaikanlagen auf dem Dach erzeugt werden. 
  • Elektroheizungen und Elektroboiler sind ab 2030 verboten.
  • Für Hausbesitzer, welche sich eine neue Heizanlage nicht leisten können, gibt es spezielle Härtefallregelungen. In einigen Fällen können die Behörden auch Ausnahmen zulassen.
  • Der Umbau von fossilen zu grünen Heizungen sowie Massnahmen zur Wärmedämmung werden staatlich noch mehr gefördert als bisher. Für die Jahre 2020 bis 2023 verdreifacht der Kantonsrat die Beiträge von 14 auf 47,2 Millionen.

Vor allem bei den Ausnahmeregelungen und in Detailfragen gab es aber genügend Spielräume, welche Kompromisslösungen möglich machten, ohne dass Rotgrün bei den Kernfragen grosse Abstriche machen musste.

Bisher galt Zürich als Trödel-Kanton

Das  Energiegesetz ist die Umsetzung der sogenannten «Muken», der «Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich», auf die sich die Konferenz Kantonaler Energiedirektoren vor sechs Jahren geeinigt hat. Der Kanton Zürich galt bislang als «Trödel-Kanton», weil der frühere Baudirektor Markus Kägi (SVP) sich partout weigerte, die Revision des Energiegesetzes anzupacken. Nur drei Innerschweizer Kantone sind derzeit noch weniger weit als der Kanton Zürich. In Bern, Solothurn und im Aargau sind die neuen Energiegesetze im ersten Anlauf vom Volk abgelehnt worden, unter anderem deshalb, weil die SVP und FDP eine klare Obstruktionspolitik verfolgten. 

Jetzt aber haben es die Zürcher geschafft, sich auf klare, konkrete und wirkungsvolle Massnahmen zu einigen, die sogar noch weiter gehen als die Mustervorschriften der Energiedirektoren. Und: Im Gegensatz zum CO2-Gesetz mit seinen zahlreichen Unklarheiten wissen in Zürich alle Betroffenen, was in den nächsten zehn, zwanzig Jahren in diesem Bereich auf sie zukommt. Man würde sich wünschen, dass die eidgenössischen Räte sich künftig an ihren Zürcher Kolleginnen und Kollegen ein Beispiel nehmen. (CR)