Gerade noch rechtzeitig vor dem Streiktag (15. März) warnt die NZZ, Hüter von Recht und Ordnung in den Köpfen ihrer Leserinnen und Leser, vor der Unterwanderung der Klimabewegung durch linke Rädelsführer. Zwar attestiert der Autor den «Klima-Schülern», wie er sie nennt, dass sie bis jetzt grossen Wert darauf gelegt hätten, «als politisch unabhängige Bewegung wahrgenommen zu werden, die sich von niemandem vereinnahmen lässt und weder einzelne Parteien noch einzelne Personen unterstützt.» Auch würden sie betonen, dass Umweltschutz keine Frage von «links» oder «rechts» sein sollte.
Dann aber legt der Autor los, fast wie einst der damalige NZZ-Chefredaktor Fred Luchsinger in seinem legendären Leitartikel «Wehret den Anfängen!» vom 17. Juni 1968 gegen die 68er-Bewegung. «Linke Kreise» seien subversiv unterwegs, um die Jugendlichen auf einen antikapitalistischen Kurs zu bringen . Viele Vertreter der jungen Grünen, der Jungsozialisten und anderer links-grüner Organisationen seien in der Bewegung aktiv. Und als eine Art Kaderschmiede «enttarnt» die NZZ ein «linkes ‹Campaign Camp'», das in Wirklichkeit nichts anderseits ist als eine Art Workshop für angehende Campaigner. Zu dessen Kunden gehörten, so die NZZ, nicht nur NGO-Aktivisten und Gewerkschafter, sondern eben auch einige «Klima-Schüler».
Vorsicht! Die marxistischen Brandstifter sind wieder unter uns
Den NZZ-Autor plagt die böse Ahnung, dass viele Klimaaktivisten «mit den Umweltsünden gleich noch den Kapitalismus abschaffen wollten, weil dieser mit seinem Wachstumszwang und Profitstreben die Wurzel allen Übels sei». Dass permanentes Wachstum bei beschränkten Ressourcen zwangsläufig in eine Umweltkrise führt, weiss man allerdings seit bald 50 Jahren, als der nicht gerade sehr linke Club of Rome sein berühmtes Buch «Grenzen des Wachstums» herausgab. Und dass es nicht pure Humanität ist, sondern doch eher Profitgier, welche die Schere zwischen Arm und Reich immer mehr öffnet, weiss man auch nicht erst seit Thomas Pikettys Analyse «Das Kapital im 21 Jahrhundert». Fast ein bisschen pikiert moniert die NZZ, dass die Klimaaktivistinnen und -aktivisten nicht mehr so richtig daran glauben, dass Einsicht und Eigenverantwortung die Wende in der Klimakrise herbeiführen könne. Um zu dieser Einsicht zu gelangen, braucht es aber nicht die vom NZZ-Autor herbeizitierten «marxistischen Berufsrevolutionäre aus den Progressiven Organisationen (Poch) oder der Revolutionären Marxistischen Liga» als böse Einflüsterer; ein Blick auf 40 Jahre Klimapolitik reicht längstens aus. Es ist ja genau das Versagen dieser vielbeschworenen Eigenverantwortung, welche die Klimaschutzbewegung erst hat entstehen lassen.
Und es sind wohl auch weniger die subversiven Berufsrevolutionäre, welche die jungen Klimaaktivistinnen und -aktivisten zum Klassenkampf anstacheln, als viel mehr die, sagen wir mal, «rechten Kreise», die keine Antwort haben auf die Frage, welche die Klimabewegung immer dringlicher stellt: die Frage nach der Klimagerechtigkeit. Solange diese brisante Frage nicht einmal ein Thema ist für die bürgerlichen Parteien, ist es nur verständlich, dass die Schülerinnen und Schüler sich irgendwann ganz von alleine fragen, ob diese Ungerechtigkeit vielleicht doch etwas mit dem «System» zu tun haben könnte. (CR)