Windräder spielen in der Schweizer Energiepolitik zwar keine dominierende Rolle, gemäss der Energiestrategie sollen sie aber bis 2050 doch rund 7 Prozent des Strombedarfs decken. Jetzt streiten Windkraft-Gegner und -Befürworter wieder einmal, ob das überhaupt möglich ist. Anlass ist der neue Windatlas, den das Bundesamt für Energie (BfE) vor kurzem im Internet aufgeschaltet hat und der leicht niedrigere Windstärken ausweist als die vorherige Version aus dem Jahr 2016.

Der Windatlas, so zitiert die NZZ vom 3. April das BfE, zeigt aufgrund von Messungen und Modellrechnungen bis auf rund 100 Meter genau die durchschnittliche Geschwindigkeit, Konstanz und Richtung der Winde.  Aber: Während die Ausgabe von 2016 für weite Gebiete vom Genfersee über die Waadt, die Jurahöhen, Freiburg und Bern bis in den Thurgau Windgeschwindigkeiten von 5,5 bis 6,5 Metern pro Sekunde auswies, in den Walliser und Bündner Alpen sogar 7 bis 8 Metern pro Sekunde, gibt der neue Atlas in den meisten Regionen leicht tiefere Windgeschwindigkeiten an. Die räumliche Verteilung der Windressourcen bleibe hingegen praktisch gleich, kommentiert das BfE, und nach wie vor gelte, dass in vielen Regionen der Schweiz der Wind so stark und regelmässig wehe, dass er zur Stromproduktion genutzt werden könne.

Windkraft-Gegner und -Befürworter streiten über die richtigen Zahlen

Die Korrekturen, schreibt die NZZ, haben aber die Windkraftgegner von «Freie Landschaft Schweiz» auf den Plan gerufen: «Aufgrund der neuen Daten sehen sie sich bestätigt, dass die Windenergie mit grossen Turbinen in der Schweiz der falsche Weg sei. Dem Bund werfen sie vor, das Potenzial 2016 übertrieben hoch dargestellt zu haben, um 2017 die Abstimmung zum Energiegesetz zu gewinnen.»

Das Bundesamt für Energie (BfE) kontert, der aktualisierte Windatlas basiere nicht auf einer Manipulation der Daten, sondern auf viermal mehr Messdaten als die frühere Version, er sei damit eine genauere Grundlage für die Kantone und private Unternehmen. Tatsächlich hätten die verfeinerten Messungen landesweit leicht tiefere Windgeschwindigkeiten ergeben, dies werde aber neutralisiert durch die technische Entwicklung, etwa durch grössere Rotordurchmesser, höher gebaute Anlagen und die Optimierung der Ausrichtung auf hiesige Verhältnisse. Das BfE geht davon aus, dass die 4300 Gigawattstundenbis 2050 deshalb aus heutiger Sicht mit rund 600 statt 800 Anlagen möglich seien.

Auf die Vorwürfe der Windkraftgegner hat jetzt auch Swiss Eole, die Vereinigung zur Förderung der Windenergie reagiert. Laut NZZ vom 12. April hat Eole an zehn Standorte, wo schon Anlagen stehen und reale Daten verfügbar sind, eigene Messungen durchgeführt. Sie zeigen zum Teil grosse Differenzen zwischen den Werten im Atlas und Windmessungen vor Ort. «Der Windatlas enthält offensichtlich teilweise gravierende Abweichungen vom effektiven Windstrompotenzial der Schweiz», folgert Swiss Eole. Grund sei, so die NZZ, die Methodik: » Im Atlas müssten die Windverhältnisse teilweise über grosse Entfernungen zu vorhandenen Messpunkten modelliert werden, was zu deutlichen Abweichungen vom effektiven Windaufkommen führen könne. Zudem berücksichtigt der neue Atlas nicht alle Windaufkommen – insbesondere thermische Winde würden nicht erfasst.» Windparks würden aber nicht anhand der allgemeinen Daten des Windatlas geplant. Zuverlässige Daten könnten nur mit konkreten Messungen und Gutachten vor Ort selbst gewonnen werden.

Faktisch sei das reale Windpotenzial zum Teil um ein Mehrfaches höher als im neuen Windatlas ausgewiesen. Zudem sei man bei der Potenzialabschätzung noch von kleineren Anlagen ausgegangen, die jährlich 1 bis 2,5 Millionen Kilowattstunden produzieren. Heutige Anlagen produzierten 4 bis 6 Millionen Kilowattstunden. Und die technische Entwicklung dauere an. «Wir sind überzeugt» zitiert die NZZ den Eole-Geschäftsführer Reto Rigassi, «dass Windkraft zehn Prozent des heutigen Verbrauchs decken kann.» (CR)

Eine ganze Reihe wichtiger Informationen und Statistiken, unter anderem auch Vergleichszahlen umliegender Länder findet man auf der Webseite von Eole.