Die Mitglieder der FDP sagen Ja zu … Ja zu was denn eigentlich? Zu etwas mehr Klimaschutz? Etwas mehr Flugticketabgabe? Etwas mehr Pariser Klimaabkommen? Etwas mehr CO2-Gesetz? Klar! Aber so klar sind die Resultate der Mitgliederbefragung zum Thema Klima bei allem Jubel der ergrünten Parteikader eben doch nicht. Denn wie viel mehr Klimaschutz, wie viel mehr Flugticketabgabe, Pariser Abkommen oder CO2-Gesetz, das haben die FDP-Chefin Petra Gössi und ihre Kolleginnen und Kollegen offenbar gar nicht gefragt und wollten es vielleicht auch gar nicht so genau wissen.

So kommt jetzt die hohe Zeit der Interpreten, der Spin-Doctors, Wahlkampfstrategen und Kaffeesatzleser in den Medien, bis am 22. Juni das Geheimnis an einer Delegiertenversammlung gelüftet wird und die Parteileitung erklären wird, was die Parteimitglieder ihrer Meinung nach gemeint haben könnten.

Die Resultate in Kürze, wie sie der SonntagsBlick zusammengefasst hat, der als Erster einige Zahlen aus der Umfrage veröffentlicht hat:

  • 78 Prozent jener 14’200 FDP-Mitglieder, die an der Umfrage teilgenommen haben, wollen, dass ihre Partei sich in Zukunft «ganz generell» mehr für Klima- und Umweltschutzthemen einsetzt.
  • 37 Prozent sind sehr, 40 Prozent eher dafür, dass die Schweiz das Pariser Klimaabkommen umsetzt.
  • 77 Prozent sind dafür, dass der CO2-Ausstoss bis 2030 um die Hälfte reduziert werden soll.
  • 24 Prozent sind sehr, 38 Prozent eher dafür, dass die Schweiz bis 2050 ganz auf fossile Energieträger verzichtet.
  • 60 Prozent sind dafür, dass die Schweiz ihren Ausstoss von Treibhausgasen vorwiegend mit Massnahmen im Inland kompensiert.
  • 44 Prozent sind sehr, 29 Prozent eher für eine Flugticketabgabe
  • 19 Prozent sind sehr, 40 Prozent eher dafür, dass erneuerbare Energien durch Subventionen gefördert werden.
  • 58 Prozent sind für eine Lenkungsabgabe auf Treibstoffe. Allerdings gaben nur etwas mehr als 8000 auf diese Frage überhaupt eine Antwort..

Viel mehr als diese sehr selektive Auswahl will die Parteileitung derzeit nicht veröffentlichen, was wiederum das Meinungsforschungsinstitut GFS Bern, das die Umfrage durchgeführt hat, sehr erbost. Die einzelnen Antworten seien aus dem Zusammenhang gerissen, hat die NZZ von Insidern erfahren, welche die gesamte Auswertung kennen; die Resultate seien längst nicht so eindeutig, wie es jetzt dargestellt werde.

So habe die Klimapolitik bei den Mitgliedern zum Beispiel keineswegs oberste Priorität. Das Thema Klimawandel/Umweltpolitik rangiere erst an vierter Stelle hinter den Themen Gesundheitskosten, Altersvorsorge und Beziehungen zu Europa. Nur 34 Prozent der 14’200 Umfrageteilnehmer fänden das Thema Klima «sehr problematisch», 47 Prozent immerhin noch «problematisch».

Und noch etwas: 56 Prozent der Befragten sind laut Insidern offenbar ganz oder eher einverstanden, dass neue Kernkraftwerke gebaut werden, um den CO2-Ausstoss zu verringern. Man darf gespannt sein, wie die Parteileitung diesen Befund im erwarteten Positionspapier berücksichtigen wird.

Jetzt geht der Streit erst richtig los

Man braucht kein Hellseher zu sein, um zu ahnen, dass der parteiinterne Streit jetzt erst richtig losgehen wird. Denn Petra Gössi hat weit mehr angerichtet als nur ein völliges Kommunikationsdesaster, vom offenbar in der Parteileitung höchst mangelhaft kommunizierten Start der Umfrage bis hin zum dilettantischen Umgang mit den Resultaten. FDP-Vize und Nationalrat Christian Wasserfallen, der klimapolitische Hardliner der FDP-Fraktion und schärfster Gegner von Gössi, dürfte für einmal recht haben, wenn er laut Tages-Anzeiger meint, bei allen Massnahmen fehle halt das Preisschild: «Wenn man eine Lenkungswirkung will, müsste eine Abgabe Benzin und Diesel um mindestens 1 Franken pro Liter und eine Steuer einen Europaflug um mindestens 150 Franken verteuern. Ob die Befragten dem auch noch zustimmen würden, wage ich zu bezweifeln.» Die Chancen, dass die Parteileitung letztlich einen Grossteil ihrer Mitglieder verärgert, weil diese ihre Meinung in dem Positionspapier nicht wiedererkennen, sind riesig.

Und noch schlimmer: Mit dieser Umfrage zwingt Gössi der FDP wenige Monate vor den Wahlen einen Machtkampf auf, den weder sie noch die wortführenden Klimapolitiker der Partei – und erst recht nicht die Gesamtpartei – unbeschadet überstehen werden. (CR)