In der vergangenen Woche haben Schülerinnen und Schüler in Basel und Zürich während einiger Stunden zwei Schulen «besetzt» und sind dann am Abend wieder friedlich abgezogen. SVP- und FDP-Politiker reagierten mit law-and-order-Parolen und forderten die Absetzung der Schulleiter, die dafür gesorgt haben, dass die beiden Aktionen ohne grössere Zwischenfälle über die Bühne gingen.

Nein, es waren nicht die jugendlichen Klimaaktivistinnen und -aktivisten, die in Basel und Zürich zum Krawall aufriefen, sondern wildgewordene Politiker der SVP und FDP. Sie hätten es wohl lieber gehabt, wenn die Polizei die friedfertigen «Besetzer» mit Gewalt aus den Schulhäusern verjagt, die «Rädelsführer» verhaftet und so die Demokratie und «politische Neutralität» der Schulen gerettet hätte.

Die rechtsbürgerlichen Krachmacher müssen sich aber einigen Fragen gefallen lassen, die sich nicht mit dem gängigen law-and-order»-Geschrei beantworten lassen: Was ist denn dagegen einzuwenden, wenn engagierte Jugendliche sich in ihre eigenen Angelegenheiten einmischen und sich mit einer zwar illegalen, aber friedlichen und letztlich harmlosen Aktion in der Öffentlichkeit Gehör verschaffen? Was hätten die Jugendliche, die zum grössten Teil weder stimm- und wahlberechtigt sind noch an den entscheidenden Schalthebeln sitzen, für andere Möglichkeiten, um auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen? Leserbriefe schreiben? Flugblätter verteilen? Eine Petition verfassen, die dann in irgendeinem Papierkorb landet?

Die Klimajugendlichen glauben zu Recht nicht mehr, dass die Politik es schafft

Die Klimajugendlichen von «End Fossil Basel» und «Die Erde brennt» haben sich wie mündige Bürger verhalten: Sie kümmern sich aktiv und engagiert um ihre eigene Zukunft, weil sie begriffen haben, dass die institutionelle Politik, auch die diejenige der Grünen und der SP, nicht in der Lage ist, die Klimaziele auch tatsächlich umzusetzen, zu denen sie sich verpflichtet hat. Und weil sie begriffen haben, dass in der Politik die Macht der Wirtschafts-Lobbyisten immer noch bei weitem mehr zählt als die gut belegten Warnungen der Klimawissenschafter. Und weil sie der Meinung sind, dass das «Bildungssystem» zu wenig tut, um den Schülerinnen und Schülern klarzumachen, was ihnen in Zukunft blüht. Und weil ihnen das Gender-Problem, ob es uns Älteren passt oder nicht, tatsächlich unter den Nägeln brennt. 

Und auch das haben sie begriffen: Dass die Medien, die sie als «Klima-Teenies», «Brandstifter», «Krawallmacher» oder aber als ignorante Naivlinge diffamieren, nur dann über ihre Sorgen und Anliegen breit und ausführlich berichten, wenn es die Sensationsgier ihrer Leserinnen und Leser bedient. 

Die Schulleiter haben das Beste gemacht: Sie nahmen die Jugendlichen ernst

Die Schulleiter des Basler Gymnasiums Münsterplatz und der Zürcher Kantonsschule Enge haben im Gegensatz zu den lärmenden SVP- und FDP-Politiker mit Augenmass und gesundem Menschenverstand reagiert: Sie haben die Jugendlichen ernst genommen. Sie haben ihnen für einige Stunden die Aula oder einige leerstehende Schulräume zur Verfügung gestellt, damit sie über ihre Anliegen diskutieren und ihre Forderungen medienwirksam kundtun konnten. Sie haben nicht den Dicken markiert und die Polizei gerufen, sondern Verhältnismässigkeit gewahrt. Und sie haben auch nicht die von den lauthalsen Politikern reklamierte «politische Neutralität» der Schulen verletzt. Diese verbietet, dass die Schule als solche, dass der Lehrkörper die Schülerinnen und Schüler in dieser oder jener Hinsicht indoktriniert. Aber sie verbietet selbstverständlich nicht, dass in den Schulräumen politische Meinungen vertreten werden dürfen. Das mag für die Politikerinnen und Politiker lästig sein, aber: Meinungsfreiheit heisst nicht bloss, dass Jede und Jeder seine Meinung sagen darf; zur Meinungsfreiheit gehört auch, das wird von denen, die Macht und Geld haben, ihre Meinung lautstark zu verbreiten, oft unterschlagen – zur Meinungsfreiheit gehört auch, dass Rahmenbedingungen existieren oder geschaffen werden, dass unterschiedliche Meinungen auch gehört werden. Dafür haben die Klimajugendlichen und die Schulleiter gesorgt. (CR)