Das riesige mediale Echo auf die Schülerstreik-Bewegung und die gewaltige Unterstützung der Gletscherinitiative durch über 20’000 Sympathisanten, die je 4 Unterschriften sammeln wollen, beflügelt nicht bloss den Mamablog des Tages-Anzeiger («Gopf, Greta, Du hast so recht!») und den FDP-Ständerat Ruedi Noser, sondern auch die Schweizer Atomlobby. Sie will, dass man «mittelfristig» auf den Entscheid, aus der Atomkraft auszusteigen, zurückkommt.

In der Sonntagszeitung zeigt sich FDP-Nationalrat und Gewerbedirektor Hans-Ulrich Bigler, als Präsident des Nuklearforums auch bekennender Lobbyist der Atomkraftfreunde, überzeugt, dass die im Klimaabkommen von Paris und von der Gletscherinitiative geforderte CO2-Reduktion nur mit neuen Atomkraftwerken zu schaffen sei. Dazu müsse man «jetzt die ideologischen Scheuklappen» fallen lassen (Ob diese Forderung auch für die Atomlobby selber gilt, erfährt man leider nicht.).

Natürlich sei der Wiedereinstieg kaum sofort möglich, da die Bereitschaft derzeit fehle, in ein Atomkraftwerk zu investieren; dabei vergass Bigler ganz zu erwähnen, dass es nicht die Investoren, sondern vor allem die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger waren, die im Mai 2017 den Ausstieg aus der Atomkraft besiegelt haben. Trotzdem meint Bigler: «Neue Reaktortypen, die Sicherheit gewährleisten und das Abfallproblem lösen, werden dazu führen, dass es wieder Investoren gibt.» Dann müsse das «Atomverbot» aufgehoben werden. Darauf wird die Atom-Lobby allerdings noch ein langes Weilchen warten müssen, denn zumindest das «Abfallproblem»wird aller Voraussicht nach in der Schweiz noch sehr lange nicht «gelöst» werden können.

Natürlich steht Bigler nicht allein. Als grösster AKW-Supporter der Welt hat sich vor einigen Tagen der Microsoft-Gründer Bill Gates geoutet: Eine Milliarde Dollar will er dafür investieren und eine weitere Milliarde bei Gleichgesinnten zusammensammeln. Auch in der Schweiz weibeln einige Politiker immer noch eifrig für die Atomkraft, so die beiden Nationalräte und notorischen Scheuklappenträger Christian Imark (SVP) und Christian Wasserfallen (FDP).

Dass die Chancen, dank neuen Atomtechnologien und neuen Atomkraftwerken, die «Klimakrise» zu bewältigen, eher gering sind, belegte vor kurzem Christoph von Eichhorn, der Wissenschaftsredaktor der Süddeutschen Zeitung, in einem Beitrag für den Tages-Anzeiger.

Gegen Atomkraftwerke und die Gletscherinitiative

Weder für die „Klimarettung durch neue Atomkraftwerke» noch für die Gletscherinitiative und den Klimastreik kann sich dagegen Mischa Aebi, der Tamedia-Bundeshausredaktor, in seinem Kommentar in der SonntagsZeitung erwärmen. Ihn ärgert vor allem, dass „Politiker bis tief ins bürgerliche Lager auf Gretas Klimazug aufspringen. (…) Nun wollen plötzlich alle ein bisschen Greta sein.“

Gegen die Atomkraftwerk-Lobbyisten führt er zu Recht ins Feld, dass die von Bigler propagierten „ungefährlichen“ Kraftwerke einer neuen Generation erst in ein paar Jahrzehnten zur Verfügung stehen; viel zu spät also, um die Reduktionsziele für die nächsten Jahre zu beeinflussen. „Der Vorschlag, nun einfach auf das Atomwunder zu warten, ist fatal.“

Ebenso ablehnend steht Abi aber auch der Gletscherinitiative gegenüber. Ein „Zirkel aus vorwiegend links-grünen Idealisten“ zauberten „ein Allerweltsmittel gegen das Wegschmelzen der Gletscher aus dem Hut“, spottet er. Als Vision wäre das Ziel, bis 2050 aus allen fossilen Energien auszusteigen, ja auch gut. Als Volksinitiative aber sei sie „nicht nur nutzlos, sondern gefährlich: nutzlos, weil sie ein schönes Ziel aufstellt, dabei aber ausblendet, dass der Weg dorthin das eigentliche Problem ist. Und gefährlich ist sie, weil mit ihr nach der Alpen- und der Masseneinwanderungsinitiative die dritte demokratische nicht umsetzbare Forderung in der Verfassung festgeschrieben würde.“

Gern wüsste man allerdings von Mischa Aebi, warum die Forderung der Gletscherinitiative nicht umsetzbar ist, und wie er sich denn einen demokratisch umsetzbaren Weg vorstellt, mit dem sich das auch von der Schweiz ratifizierte Ziel einer praktisch vollständigen Dekarbonisierung bis 2050 erreichen liesse. Im Gegensatz zu Abi, der bisher nicht durch klimapolitische Kompetenz aufgefallen ist, haben die Initianten der Gletscherinitiative immerhin praktisch alle renommierten Schweizer Klimaforschern, auch Klimaökonomen, hinter sich, die aufgrund ihrer wissenschaftlichen Kompetenz fest überzeugt sind, dass der radikale Ausstieg aus Kohle, Erdöl und Gas nicht nur absolut zwingend und dringlich ist, sondern eben auch machbar. (CR)