Der Umstieg auf Elektromobile soll gefördert werden, darüber sind sich fast alle einig. Die einen aus Überzeugung, die anderen, damit sie weiterhin möglichst viele teure Benzin- und Dieselfahrzeuge verkaufen können. Die Sache ist noch nicht brandaktuell und wird erst im kleinen Kreis zwischen dem Bundesamt für Strassen (Astra) und dem Lobbyverband der Autoimporteure Auto-Schweiz diskutiert. Der Tages-Anzeiger hat die Sache in verdankenswerter Weise trotzdem aufs Tapet gebracht.

Worum geht es? Seit Anfang 2018 werden sämtliche Aufwendungen für die Nationalstrassen und Beiträge an den Agglomerationsverkehr aus dem Strassenfonds (NAF) finanziert. Gespiesen wird der Fonds unter anderem durch die sogenannte Automobilsteuer, die Mineralölsteuer und einen Zuschlag auf den Benzinpreis. Davon ausgenommen sind E-Autos. Das ist einerseits richtig, weil die E-Mobilität gefördert werden soll, und andererseits ein bisschen ungerecht, weil ja auch E-Autos National- und Agglomerationsstrassen benützen.

Als gutschweizerischer Kompromiss galt und gilt, dass die E-Autofahrer ab einem späteren Zeitpunkt für die Benutzung der Strassen eine vom Gewicht des Fahrzeugs abhängige E-Abgabe von bis zu 500 Franken bezahlen müssen. Umstritten ist, wann dieser «spätere Zeitpunkt» eintritt. Ursprünglich war das Jahr 2020 vorgesehen, das Bundesamt für Strassen Astra nennt das Jahr 2022, der Bundesrat hat sich laut Uvek noch nicht entschieden. Denkbar wäre aber auch eine ganz andere Lösung, nämlich: eine E-Abgabe würde dann eingeführt, wenn ein bestimmter Prozentsatz der Neuwagen E-Mobile sind.

Von einem markanten Prozentsatz von Elektroautos kann allerdings bis heute keine Rede sein. Auto-Schweiz prognostizierte für 2020 10 Prozent, die sogenannte Roadmap Elektromobilität, eine Abmachung zwischen Bund, Kantonen, Gemeinden und Autoverbänden, will den Anteil von neu zugelassenen vollelektrischen und Plug-In-Hybriden bis 2022 auf 15 Prozent steigern. Das wären etwa 45’000 Neuwagen. Tatsächlich waren es im vergangenen Jahr nur rund 9’500 Neuwagen, also lediglich 3,1 Prozent aus – oder 0,5 Prozentpunkte mehr als 2017.

Die Autobranche plädiert für einen nicht ganz uneigennützigen Deal

Angesichts dieser Zahlen hält es der Bundesrat laut Tages-Anzeiger für vertretbar, die E-Abgabe auf 2022 zu verschieben. Das sieht auch Andreas Burgener, Direktor von Auto-Schweiz, so. Allerdings aus nicht ganz uneigennützigen Gründen. Denn: Da für die Berechnung der CO2-Grenzwerte jeweils die Durchschnittswerte der ganzen Autoflotte eines Importeurs zählen, sorgen möglichst viele E-Mobile auf der einen Seite der Rechnung dafür, dass auf der anderen Seite viele grosse, übermotorisierte 4×4-Geländewagen und SUV verkauft werden können. Das ist für die Importeure umso wichtiger, als ab 2020 der Grenzwert von 130 g/km auf 95 g/km gesenkt wird.

Derzeit liegt der tatsächliche Durchschnittswert bei 138 g/km, und es ist absehbar, dass ein sehr beträchtlicher Teil der Neuwagen den künftigen Grenzwert bei weitem nicht (oder nur mit Schummeln) schafft. Ohne Ausgleich durch die Elektroautos würden dann für die Autoverkäufer Millionen an Strafzahlungen fällig. Deshalb geht Auto Schweiz sogar noch einen Schritt weiter: Der Bund soll laut Tages-Anzeiger die E-Abgabe erst einführen, wenn die Autoimporteure den verschärften Durchschnitts-Grenzwert von 95 Gramm pro Kilometer dank den E-Mobilen sanktionsfrei einhalten können. Aus klimapolitischer Sicht ist dieser Deal allerdings problematisch: Er führt dazu, dass die CO2-Emissionen des Autoverkehrs insgesamt sehr viel langsamer sinken als erforderlich oder gar gleich hoch bleiben.

Jürg Grossen, Präsident der Grünliberalen und des Verbands Swiss E-Mobility, verlangt, dass der Bund die E-Abgabe frühestens bei einem Neuwagenanteil von 15 Prozent in Kraft setzt. Die SP geht sogar noch einen Schritt weiter: Sie schlägt in einem Positionspapier einen Anteil von 40 Prozent neu verkaufter Elektroautos vor. (CR)