Die Klimaschutz-Bewegung, angetrieben vor allem von engagierten Jugendlichen, ist innerhalb eines halben Jahres zur weltweit grössten und mächtigsten Protestbewegung geworden. Auch in der Schweiz gingen am 24. Mai bereits zum vierten Mal Zehntausende auf die Strasse, um gegen das jahrzehntelange Nichtstun, das folgenlose Palavern der Politiker zu protestieren. In ihrer neuesten Ausgabe zieht die Wochenzeitung WoZ eine höchst lesenswerte Zwischenbilanz.

Es sind, so die WoZ, längst nicht bloss die grossen Städte Zürich, Genf, Basel und Bern, wo die jungen Klimaschützer mit spektakulär grossen Demonstrationen die Politik zwangen, Klimafragen zuoberst auf die Traktandenliste zu setzen und Entscheidungen zu fällen, die niemand noch vor kurzem für möglich gehalten hat. In fünf Kantonen, neben Zürich und Basel auch in Zug, Freiburg und der Waadt überwiesen die Parlamente inzwischen Klimavorstösse an ihre Regierungen. In weiteren Kantonen sind Vorstösse hängig. Auch auf Gemeindeebene gibt es laut WoZ Erfolge: «Kleinstädte wie Liestal (BL), Wil (SG) oder Bülach (ZH) haben den Klimanotstand ausgerufen. In knapp zwanzig Gemeinden sind Vorstösse hängig oder bereits behandelt.»

Zum Beispiel die Stadt Zürich

Am Beispiel der Stadt Zürich zeigt Sarah Schmalz in der WoZ auf, um welche konkreten Klimaschutzmassnahmen es geht (oder in anderen Städten gehen könnte), egal, ob man diese Massnahmen Klima-Notstand nennt oder nicht. Sie zeigt aber auch, mit welchen Schwierigkeiten und Einschränkungen solche lokale Vorstösse zu kämpfen haben. So liegt etwa ein Verbot von Ölheizungen, das der renommierte Zürcher Klimaforscher und Weltklimarat-Vize Andreas Fischlin für notwendig hält, ausserhalb der Kompetenz der Stadt. «Und Fotovoltaikanlagen», schreibt die WoZ weiter, «kann die Stadt den HausbesitzerInnen nicht aufzwingen. Was bleibt, sind Fördermassnahmen. So wollen etwa links-grüne GemeinderätInnen einen Fonds in Höhe von fünfzig Millionen Franken einrichten.» Dies wiederum, so zitiert die WoZ Dominik Siegrist, den Leiter des Kompetenzzentrums Infrastruktur und Lebensraum an der Hochschule Rapperswil, reicht «bei weitem nicht aus, um unter den Liegenschaftsbesitzern in der Stadt Zürich genügend Anreiz zu schaffen, dass bis 2030 ein Grossteil der Ölheizungen durch erneuerbare Energiesysteme ersetzt sein wird.»

Trotzdem: Bei allen Einschränkungen, reine Symbolpolitik, wie die SVP und FDP-Politiker behaupten, sei das längst nicht, was die Kantone und Gemeinden derzeit angehen, schreibt die WoZ zu Recht. Und sie zitiert Fischlin: «Es ist fünf nach zwölf. Wir müssen jede Möglichkeit nutzen, die sich bietet. Je konsequenter die formulierten Ziele, desto grösser die Chance, dass wir das Machbare dann auch wirklich schaffen.»

Überhaupt führt die WoZ in ihrer Bilanz eine ganze Reihe von Argumenten an gegen all jene Politikerinnen und Politiker, die jede klimapolitische Forderung, die ihnen nicht passt, als wirkungslose Symbolpolitik niederschreien. Und gegen jene Journalisten (auch des Tages-Anzeigers und der NZZ), welche der Klimajugend gönnerhaft übers Haar streicheln und sie zugleich warnen, es aber ja nicht zu bunt zu treiben.

Die Klimapolitik wird beherrschendes Thema bleiben

Wenig Trost spendet die WoZ auch all jenen, die glauben oder hoffen, das Klimaschutzthema sei bloss ein kurzer vorübergehender Hype. Zumal dann, wenn im Herbst ein klimafreundlicheres Parlament gewählt werde, meint die WoZ, bekomme das versenkte CO2-Gesetz eine neue Chance. Hängig sei auch ein Vorstoss der SP-Jungpolitikerin Samira Marti, der den nationalen Klima-Notstand fordere.

Was die WoZ allerdings (noch) nicht sagt: Egal, wie die Wahlen im Herbst ausgehen werden, und egal, ob das Parlament den nationalen Klima-Notstand ausruft oder nicht – die ökologische Frage wird so oder so immer mehr ins Zentrum der Politik rücken. Denn was immer der National- und Ständerat in Zukunft diskutieren wird, ob finanz-, wirtschafts- oder sozialpolitische Fragen, ob über Verkehr, Energie, Landwirtschaft und Industrie, über Raumplanung oder Entwicklungszusammenarbeit, immer unausweichlicher werden die Politikerinnen und Politiker diskutieren müssen, wie jede einzelne ihrer Entscheidungen sich auf die Umwelt auswirken wird. Denn die physikalischen Naturgesetze werden sich durchsetzen, auch wenn es der SVP nicht passt. Und der Umwelt ist es vermutlich ziemlich egal, wie es den Autoimporteuren geht, ob wir in der Schweiz frische Erdbeeren aus Südafrika kaufen können oder die AHV-Beiträge in Zukunft steigen oder sinken. Letztlich stellt sich bloss die Frage, ob die Politiker sich als Getriebene oder als Gestaltende mit dem alles übergreifenden Thema Umwelt & Klima befassen. (CR)