Es könnte noch schlimmer kommen als bisher angenommen: Ein Spezialbericht Ozean des Weltklimarats (IPCC) , der im Juni oder September veröffentlicht werden soll, rechnet offenbar damit, dass der Meeresspiegel bis Ende des Jahrhunderts bis zu 1,3 Meter ansteigen könnte. Das steht laut Frankfurter Rundschau in einem Entwurf des Berichts, welcher der japanischen Tageszeitung „The Mainichi“ zugespielt worden ist.

Im 5. Sachstandbericht des IPCC aus dem Jahr 2014 prognostizierten die Klimaforscher noch einen weit niedrigeren Anstieg des Meeresspiegels: Je nach Szenario zwischen 44 und 74 cm mit einer Bandbreite von 28 bis 98 cm. (Diese unterschiedlichen Zahlen bei den Szenarien und Bandbreiten kommen deshalb zustande, weil die Wissenschafter jeweils mehrere Entwicklungspfade berechnen, welche unterschiedliche Klimapolitiken widerspiegeln. Da sich zukünftige Ereignisse nicht präzis berechnen und voraussagen lassen, geben die Klimawissenschafter für jedes Szenario eine Bandbreite an, innerhalb derer die künftige Entwicklung mit grosser Wahrscheinlichkeit eintrifft.)

Die Autoren des 5. IPCC-Reports 2014 gingen noch davon aus, dass das antarktischen Eis relativ stabil bleibt. Inzwischen zeigen aber Studien, dass sich der Eisverlust in der Antarktis in den vergangenen 40 Jahren versechsfacht hat. Auch die Eisschmelze in Grönland beschleunigt sich über alle Erwartungen. Die jüngsten Schmelzraten sind höher als in den vergangenen 300 Jahren und damit auf Rekordhöhe.

Dass der Meeresanstieg wesentlich höher ausfallen könnte und schneller vonstatten geht, zeigte 2017 erstmals eine Studie der University of Melbourne; sie kam auf einen Anstieg des Meeres um 1,32 Meter bis 2100. falls es nicht gelingt, bis 2050 weltweit aus der Kohlenutzung auszusteigen. Zu einem ähnlichen Schluss sind offenbar weitere Studien gekommen – der Weltklimarat unternimmt keine eigenen Forschungen; seine Autoren, alles renommierte Klimawissenschafter mit unterschiedlichen Forschungsschwerpunkten, prüfen alle aktuell vorliegenden Studien auf ihre wissenschaftliche und methodologische Seriosität und ziehen dann daraus ihre Schlüsse.

Ein Meeresanstieg um 1,3 Meter wäre für viele Küstenregionen verheerend: Rund 60 Millionen Menschen lebten 1995 auf küstennahen Landflächen, die bloss 1 Meter über dem Meeresspiegel liegen, bis 2100 dürfte sich diese Zahl mehr als verdoppeln. Acht der zehn weltgrössten Städte liegen in niedrigen Küstenbereichen. Und zwei Milliarden Quadratkilometer Land liegt weniger als 2 Meter über dem durchschnittlichen Durchschnitt bei Hochwasser. Zahlreiche Ökosysteme wie Korallenriffe und Mangrovenwälder, die für den Küstenschutz wichtig sind, wären noch gefährdeter als jetzt schon. (CR)