Sollen SUV verboten werden, weil wir die SUV-Fahrer für doofe Bluffer halten? Oder stirbt im Gegenteil die Freiheit, wenn SUV verboten werden? Zwei Kulturredaktoren des Tages-Anzeigers verlaufen sich in Glasperlenspiele und diskutieren ziemlich am Thema vorbei.

Vielleicht haben ja doch jene Spötter recht, die behaupten, Kulturredaktoren könnten über Alles schreiben, auch über Dinge, von denen sie keinen blassen Schimmer haben, weil sie ja doch immer nur über sich selber schreiben? Fast könnte man das meinen, wenn man auf Tages-Anzeiger Online das Pro & Kontra des amtierenden Kulturchefs und seines Stellvertreters zur Frage liest, ob SUV verboten gehören oder nicht.

Was da alles an alten Gassenhauern in Stellung gebracht wird, ist beträchtlich: Auf der einen Seite die sogenannte Neiddebatte oder das Bluffer- oder Poser-Syndrom jener Machtelite, die jeweils am Davoser WEF in verdunkelten Luxuslimousinen auf der Promenade spazieren fährt. Und dazu gehört auch der kleine, beim Tages-Anzeiger neuerdings offenbar obligatorische Tritt gegen das sogenannte linksurbane Milieu, das sich auch nicht besser verhalte. Auf der anderen Seite die legendäre Bauern- und Grossfamilie, die ohne SUV nicht überleben kann, die «individuelle Wahlfreiheit, eine wesentliche Säule unserer kapitalistischen Marktwirtschaft» und der unmoralische Moralismus, der die Welt wider jede kapitalistisch-marktwirtschaftliche Wahrheit in Gut (=links) und Böse (=rechts) einteile. (Für die gegenteilige Ansicht, dass wir die meisten Probleme der Welt derzeit weniger den Moralisten als vielmehr den Unmoralisten zu verdanken haben, spräche allerdings jeder kleine Blick in die eigene Zeitung.)

In der Tat erfährt man auf diese Weise viel über die beiden Kontrahenten – so etwa, dass der Tages-Anzeiger-Kulturchef Guido Kalberer sich offensichtlich alle Mühe gibt, den rechtskonservativen NZZ-Kulturchef René Scheu noch rechts zu überholen. Dass inzwischen selbst die neoliberalsten Neoliberalen nicht mehr so platt argumentieren wie einst die Autopartei von Michael Dreher, die sich mit dem Slogan «Freie Fahrt für freie Bürger» lächerlich machte, ist dem Bewunderer des deutschen Dampfplauder-Philosophen Peter Sloterdijk offenbar entgangen.

Es braucht nichts als klare Gesetze ohne Ausnahmen

Selbstverständlich darf man ob der egomanen Rücksichtslosigkeit der SUV-Fahrer zu Recht Aversionen haben. Und selbstverständlich darf man andererseits auch nach Bankenkrise und notorischem Versagen des Neoliberalismus sich für deren Slogans von der Freiheit und der unsichtbaren Hand des Marktes begeistern. Aber darum geht es nicht. Das ist Geplauder, gehobenes Partygespräch.

Die Antwort auf die Frage nach einem SUV-Verbot ist letztlich schlicht eine Frage des Rechtsstaates. Der individuelle Autoverkehr muss, das hat die Bevölkerung mit der Energiestrategie 2050 und der Unterschrift unter das Pariser Klimaabkommen beschlossen, wie alle anderen Sektoren seinen Beitrag zur Reduktion der Treibhausgase leisten. Tut er aber nicht: Statt wie vorgeschrieben zu sinken, sind die Emissionen des Strassenverkehrs sogar gestiegen, weil fast die Hälfte der Neuwagen spritintensive, überschwere SUV oder 4×4-Fahrzeuge sind. Bis Ende dieses Jahres beträgt der zugelassene Grenzwert für Neuwagen 130 Gramm CO2 pro Kilometer, ab kommendem Jahr sind es nur noch 95 Gramm. (Der momentane Durchschnitt liegt bei ca. 135 Gramm.)

Die Autoimporteure haben sich zahlreiche Schlupflöcher und faule Ausnahmeregelungen heraus-lobbyiert, um faktisch dieses Ziel zu umgehen. Alle diese Tricks und Ausnahmen gehören weg; sie widersprechen dem Rechtsgrundsatz, dass alle, auch alle Autofahrer sich gleichermassen an die Gesetze und Verordnungen zu halten haben. (Wer mit 80 km/h durch eine 30er-Zone brettert, wird bestraft, wenn er in eine Kontrolle gerät, und zwar jedes Mal, wenn er gegen die Geschwindigkeitsbeschränkung verstösst. Auch wenn das seine individuelle Freiheit einschränkt.) So müsste der Grenzwert für alle und jeden Einzelnen gelten. Ohne Ausnahmen oder höchstens aufgrund von Bedarfsnachweisen für die legendäre Bauernfamilie. Ob man dann Fahrzeuge, die diesen Grenzwert überschreiten, verbietet oder so massiv zur Kasse bittet – und nicht bloss einmal beim Kauf, sondern Jahr für Jahr -, bis ihre Besitzer endlich begreifen, dass auch sie nicht über dem Gesetz stehen, kommt letztlich auf das Gleiche hinaus: SUV und übergewichtige Spritvergeuder gehören nicht auf unsere Strassen. (CR)